Besonders wasserreich war einst der Rheintalboden.
An der Lettstrasse finden sich gemäss den um 1835
erstellten Rheinstromkarten fünf Giessen und Gräben,
die es zu überqueren galt. Die wichtigsten hydrologi-
schen Systeme bildeten der Vaduzer Gjessa und der
Irkelesbach. Der Giessa mündete auf der Höhe des Möli-
holzes in den Rhein und sammelte das Oberflächen-
wasser vom Spaniabach und eines Giessens im Bereich
des Toniäulis. Sein Hauptast verbreiterte sich auf der
Höhe der Zollstrasse bis Aubünt in ein sumpfiges
Gelände. Die weiteren Zuflüsse stammten aus dem hier
massiven Quellaufstoss aus dem Schwefelbereich so-
wie vom Wolfgangsgraben des Neuguets. Die Quelle
des zweiten grösseren Quellbachs in der Talebene —
der Irkelesbach — befand sich südlich des Schliessa
wegs in der Oberau, schlängelte sich parallel zum
Vaduzer Giessa und mündete beim heutigen Sportareal
in den Rhein.
Erst 1837 entschlossen sich die Schweiz und Liech-
tenstein für den Bau eines provisorischen Rheinwuhr-
systems, welches 1847 mit Vertrag besiegelt wurde und
zu einer wesentlichen Einengung des Flusses führte.
In diesem Vertrag wurde ein Doppelwuhrsystem mit
Mittelgerinne und durch Binnendimme abgeschlos-
sene Vorländer vereinbart. Dieses Korrektionswerk ver-
lief wegen Geldmangels recht schleppend. Unter dem
Eindruck katastrophaler Hochwasser des Jahres 1868
gab die Schweizer Rheinkorrektion 1872 das Doppel
wuhrsystem auf und erhöhte einseitig die Wuhre des
Mittelgerinnes zu eigentlichen Hochwasserdimmen,
wie wir sie heute kennen. Der Binnendamm ist also
ein historisches Relikt der früheren Verbauungstechnik.
Liechtenstein konzentrierte sich aus Geldmangel vor-
erst auf die Erhöhung der Binnendämme und stellte
erst nach 1878 Zug um Zug auf das Hochwuhrsystem
unter Belassung der Binnendämme um. Die liechten-
steinischen Binnengewässer wurden damals an drei
Stellen durch die Hochwuhrlücken entlassen, so im
Bereich des Vaduzer Neuguets. In diesen drei Räumen
erhielten sich bei Rückstau des Rheins einige Sumpf-
gebiete. Dieser Zustand dauerte bis zum Bau des Bin-
nenkanals. Der Flurname Schliessa weist noch auf diese
ehemalige Regeltechnik am Rhein hin. Der Binnen-
kanal als heutiger Vorfluter aller Binnengewässer im
liechtensteinischen Rheintal wurde in den Jahren 1931
bis 1943 erstellt, und seither ist das Fliessgewässer-
system in seinen Grundzügen nicht mehr verändert
worden.
Die Folgen des sinkenden Grund-
wasserspiegels
Ein auch bei uns bekanntes orientalisches Sprichwort
‚autet: “Fliesst das Wasser über sieben Stein, so ist es
wieder rein.” Damit ist angesprochen, dass die natür-
lichen Gerinne eine erstaunliche Selbstreinigungs-
kraft besitzen und Abwässer verarbeiten können. Die
Klärleistung stammt allerdings vom “lebendigen” Bach
mit seinen Organismen und nicht vom besagten Stein.
Auf einem Quadratmeter Bachboden können gegen
100’000 Organismen — vom Fisch bis zum Einzeller —
leben. Ihr Zusammenwirken ermöglicht schliesslich
das “Funktionieren” eines Baches. Von diesen Zusam-
menhängen wissen wir relativ wenig. Nur so ist es zu
verstehen, dass wir mit dieser Unwissenheit unsere
einstigen Bäche begradigten, betonierten und die ein-
stige Vielfalt durch Einförmigkeit ersetzten. Noch gibt
es Zeugen der älteren Generation, die selbst noch Fluss-
krebse und Flussmuscheln in unseren Bächen sahen
und die, unerlaubt, den Griff nach einer Forelle in
einem Unterschlupf wagten. Von dieser Vielfalt ist
heute ausser den regelmässig eingesetzten Forellen
nicht mehr allzuviel verblieben.
Um 1835 betrug das in den Rheinstromplänen ein-
gezeichnete Binnengewässernetz (ohne Rhein) in
Vaduz immerhin noch um die 11’000 Laufmeter.
Heute sind davon mit 6’000 Laufmetern gerade noch