ZUR GESCHICHTE DES HAUSES LIECHTENSTEIN UND SEINER
KUNSTSAMMLUNGEN
Wer nach den geschichtlichen Anfängen des Hauses Liechtenstein fragt, muß bis weit in das Mittelalter,
genauer - bis in das 12. Jahrhundert zurückblicken. Um 1136 wird mit Hugo erstmals ein Herr von
Liechtenstein erwähnt, der als Edelfreier dem hohen Adel angehörte. Man kann folglich davon
ausgehen, daß die Familie schon im Frühmittelalter in den Adelsstand erhoben wurde. Hugo nannte sich
nach der südwestlich von Wien gelegenen Feste "Liechtenstein", der eigentlichen Stammburg des
Hauses, welche nach späterem Verlust im Jahre 1807 durch Fürst Johann Josef I. von Liechtenstein
zurückerworben und ab 1890 durch Fürst Johannes II. restauriert werden konnte. Sie erhebt sich auf
einem etwa dreihundert Meter hohen Kalkfelsen, weithin eindrucksvoll als "lichter Stein" sichtbar. Als
die Herren von Liechtenstein im Jahre 1249 durch König Ottokar von Böhmen die Herrschaft
Nikolsburg erhielten, dehnte sich ihr Territorialbesitz von Niederösterreich nach Mähren aus.
Zu den ältesten und begütertsten Adelsfamilien im Osten des Heiligen Römischen Reiches gehörend,
stand das Haus Liechtenstein früh schon im Dienste verschiedener Landesherren, zunächst der
Babenberger, später der Habsburger. Mit der Zunahme von Besitz und Ansehen steigerte sich zugleich
auch die politische Bedeutung der Familie, deren führende Mitglieder von den jeweiligen Landesherren
bald zu Hof-, bzw. Obersthofmeistern ernannt wurden und damit zur rechten Hand des Herrschers in
sämtlichen Verwaltungsangelegenheiten avancierten.
Zur Wahrung und gleichzeitigen Stärkung der Familien- und Besitzstruktur schlossen die Brüder Karl,
Maximilian und Gundaker von Liechtenstein am 29. September 1606 auf Schloß Feldsberg einen
Vertrag, durch welchen das familiäre Eigentum zum Fideikommiß, d. h. zum unteilbaren und
unveräußerlichen Gesamtbesitz erklärt wurde. Zugleich wurde eine Erbregelung im Sinne der
Primogenitur getroffen, wonach die Erbfolge in direkter Linie auf den erstgeborenen Sohn überging.
Erst im Jahre 1970 wurde der Fideikommiß von einer Familienstiftung abgelöst. Das Prinzip der
Primogenitur gilt bis zum heutigen Tag.
Ein Jahr nach dem in weiser Vorausschau abgeschlossenen Familienvertrag erhielt Karl von
Liechtenstein, der Kaiser Rudolf II. in Prag zwischen 1600 und 1607 als Obersthofmeister gedient hatte,
den Pfalzgrafentitel, welcher ihn berechtigte, selbst Titel zu verleihen, Stadtrechte zu vergeben und
Münzen zu prägen. Kurze Zeit darauf erfolgte ein weiteres, für den politischen und gesellschaftlichen
Status des Hauses Liechtenstein bis in die aktuelle Gegenwart hinein bedeutungsvolles Ereignis: die
Erhebung Karls von Liechtenstein in den erblichen Fürstenstand durch König Matthias im Jahre 1608 -
sine Würde, die 1623 auch seinen Brüdern Maximilian und Gundaker durch Kaiser Ferdinand II. zuteil
wurde und damit gleichermaßen ihren sämtlichen männlichen und weiblichen Nachkommen. Karls
Nachkommenschaft erlosch in der vierten Generation. Maximilian starb kinderlos. Gundakers
Stammeslinie hingegen lebt bis auf den heutigen Tag fort. Karl von Liechtenstein, der im Dienste von
nicht weniger als drei Kaisern stand, bekrönte seine politische Laufbahn unter Ferdinand II. als
kaiserlicher Kommissär und Vizekönig von Böhmen - Ämter, die er bis zu seinem Tode innehatte.
Wenngleich Karl 1614 von Kaiser Matthias "zur Führung seines Fürstlichen Standes" mit dem
Herzogtum Troppau belehnt wurde und 1623 von Kaiser Ferdinand II. auch noch das Herzogtum
Jägerndorf als Schenkung erhielt - Erwerbungen, die sich fortan im Wappen des Hauses widerspiegelten
- so verliehen diese Territorien ihrem Besitzer gleichwohl nicht das Recht, mit Sitz und Stimme im
Reichfürstenrat in Regensburg vertreten zu sein und damit die Geschicke des Reiches mitzubestimmen.