würde. Da jedoch keine weiteren Informationen hierzu verfügbar sind, muß diese Frage offen
bleiben.
Die Ausmaße der Tafel könnten darauf deuten, daß es sich hier möglicherweise um einen Flügel
eines Triptychons handelt. In der Tat wurde es am oberen Rand beschnitten und wäre demnach noch
höher gewesen. Im ersten Eintrag zu diesem Bild im Katalog der Liechtensteinischen Sammlung
(Kat. 1873, Nr. 1036) wurde ebenfalls erwähnt, daß es ein Gegenstück zum Bild gäbe (Kat. 1873,
Nr. 1038), auf dem "ein Bischof einen toten Mann in einer Landschaft wiederbelebt, mit anderen
Figuren hinter ihm." Waagen (1866, S. 268) beschreibt das Thema folgendermaßen: "ein Bischof
heilt einen kranken Mann in Gegenwart zweier Zuschauer." Beim Bischof handelt es sich
möglicherweise um den heiligen Valentin, ein Thema, das von Cranach und seinem Atelier noch
mindestens dreimal aufgegriffen wurde (siehe Friedländer und Rosenberg 1978, Nr. 2, sub. 1 und
sub. 6a).
Möglicherweise handelte es sich bei diesem Gegenstück um den zweiten Flügel des gleichen Altars
oder aber um die ursprüngliche Rückseite des vorliegenden Werkes. Dies scheint eher wahrscheinlich
zu sein, denn der Holzrahmen der Eustachius Tafel wurde abgehobelt und an einer zweiten Tafel
befestigt - ein Hinweis darauf, daß das Bild einmal Teil einer dickeren Tafel war, die wieder
auseinandergenommen wurde. Wo sich die zweite Tafel befindet, die 1880 aus der
Liechtensteinischen Sammlung in Paris verkauft wurde, ist bis heute unbekannt.
Da das vorliegende Bild bislang immer als Werk Cranachs katalogisiert wurde, bedarf die
Behauptung Waagens (1862, S. 247), daß diese Zuordnung falsch sei, einer Erklärung. Zu einer Zeit
in kunstgeschichtlichen Studien, als die künstlerische Persönlichkeit von Matthias Grünewald noch
nicht klar definiert war (Waagen glaubte, daß der Isenheimer Altar in Colmar von Hans Baldung
Grien stamme), schrieb Waagen die beiden Flügel in der Liechtensteinischen Sammlung diesem
Meister zu. Nach Waagens Auffassung war Grünewalds Hauptwerk eine Lamentatio, die sich zu der
Zeit in der Esterhäzy Sammlung befand (heute im Szepmüveszeti Müzeum in Budapest). Was den
Stil betrifft, gibt es durchaus Ähnlichkeiten zwischen der Budapester Arbeit und dem vorliegenden
Bild, beide stammen zudem aus der gleichen Zeit. Das Werk wird heute allgemein Lucas Cranach
dem Älteren zugeschrieben und liefert Hinweise darauf, wie das verschollene Pendant des heiligen
Eustachius wohl ausgesehen haben könnte, denn auf der linken unteren Seite ist ein stehender
Bischof dargestellt, der möglicherweise dem auf dem anderen Bild ähnlich sieht. Dies könnte der
Grund für Waagens Zuordnung gewesen sein.
Bode (1895a, S. 126) glaubte, die Hand Lucas Cranach des Jüngeren (1515-1586) im
Liechtensteinischen Bild wiedererkannt zu haben. Sein Urteil gründet wahrscheinlich auf der
Darstellung des Pferdes, das schelmisch den Betrachter anblickt. Das offensichtliche Datum des
Gemäldes schließt jedoch die Mitarbeit von Cranachs jüngerem Sohn aus. Außerdem gibt es bereits
im frühesten Werk des älteren Meisters, der Kreuzigung (Kunsthistorisches Museum, Wien), eine
ähnliche Darstellung eines Pferdekopfes.
Der Heilige Eustachius wurde zum ersten Mal nach seiner Restaurierung in New York im Jahre
1984 ausgestellt. Es ist eines von mehreren Cranach-Bildern der Liechtensteinischen Sammlung und
weniger bekannt als Abrahams Opfer aus dem Jahre 1531. Es stammt aus der Sammlung des Grafen
Collowrat in Prag und wurde wahrscheinlich 1819 von Fürst Johannes I. erworben. Zweifellos fühlte
sich der Fürst in zweierlei Hinsicht vom Bild angezogen. Einerseits handelt es sich um ein
beispielhaftes Werk eines der wichtigsten Künstler der sogenannten Donauschule, andererseits dürfte
die Assoziierung des Themas des Gemäldes mit der beliebten Freizeitbeschäftigung der Aristokratie,
der Jagd, den Fürsten, der sich nachweislich für diesen Sport begeisterte, sehr angesprochen haben.
Guy C. Bauman