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Thomas Ender
Österreich, 1793-1875
BLICK UBER DEN GOLF VON NEAPEL BEI SORRENT
Öl auf Papier auf Leinwand, 64,5 x 90,5 cm
Bez. Th. Ender
Liechtenstein Inv. Nr. 2000
Erw. 1907 durch Fürst Johannes II.
Enders Ansicht bietet einen Blick über den Golf von Neapel entlang der Steilküste bei
Sorrent mit den fernen Konturen des Vesuv als Bildabschluss. Hoch auf einem
Felsplateau wird eine Stadtbefestigung zwischen Zypressen und Buschwerk sichtbar.
Von dort führt eine Strasse, in das Bergmassiv gehauen und als Rampe genutzt, herab.
Landleute in bunter Tracht ziehen mit bepackten Eseln des Weges, Fischer haben ihre
Boote auf den schmalen Sandstrand unterhalb der Felsen gezogen, während andere
Schiffe noch auf der ruhigen See gleiten. Wie auf verschiedenen Bühnen wird simultan
das malerische Volkstreiben Süditaliens inmitten der Golflandschaft geschildert. Das
Vorbilder Joseph Rebells verarbeitende Gemälde dürfte während Enders erstem
Italienaufenthalt wohl gegen 1822 entstanden sein. Ender hatte diesen Aufenthalt 1819
als Begleiter der Hofreise des Kaisers beginnen und mit einem vierjährigen Stipendium
als kaiserlicher Pensionär in Rom 1822 beenden können. Dort dürfte er Kontakte zu
Rebell geknüpft haben, von Rom brach er auch zu einer Studienreise in den Süden, nach
Sorrent, Amalfı, Salerno, Neapel und Capri auf. Wie sehr Ender offenen Auges Italien als
seine Lehrmeisterin betrachtete, darin vielen Künstlern vor ihm vergleichbar, wird aus
einem Brief an den Wiener Kunsthändler Artaria vom 19. September 1820 deutlich: «...
damahls (in Wien) hatte ich noch keinen heiteren Himmel gesehen, jetzt ist es mein
einziges Bestreben, diesen nach zu ahmen, ich habe mir fest vorgenommen, solange ich in
Italien seyn werde, alles nur mögliche zu thun, um das Luftperspektiv der Farben zu
studieren» (Koschatzky, S. 40). Der Ertrag seiner italienischen Studien betrug
schliesslich über 500 Zeichnungen und etwa 40 kleinere, sowie 6 grössere Ölgemälde,
darunter wohl auch das vorliegende. In seiner starken Kontrastierung von Licht und
Schatten entspricht es dem von Ender gesteckten Ziel, «das Luftperspektiv der Farben»
in seiner südlichen Ausprägung einzufangen.
Reinhold Baumstark
LITERATUR: Kat. Ausst. 1950, Nr. 84. Zu Enders Italienaufenthalt: W. Koschatzky, Thomas Ender
1793-1875, Kammermaler Erzherzog Hohanns, Graz 1982, S. 38 ff
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