Gedichte zwischen Schwank und Spiessigkeit wurden dieser Kunstfigur von den Autoren
Ludwig Eichrodt und Adolf Kussmaul unterschoben und 1855 bis 1857 ebenfalls in den
« Fliegenden Blättern » publiziert. Um 1900 hatte man sich dieses Herrn Biedermaier
besonnen und nach ihm die Epoche der Restaurationszeit benannt. Wie schon die
Stilbezeichnungen von Gotik und Barock übernahm damit auch das Biedermaier das
Verächtliche und Abwertende einer Nomenklatur als Erblast. Vielfach färbt noch heute
der Begriff die Einschätzung, wenn Innigkeit mit Gemütlichkeit, Schlichtes mit
Harmlosem, Heiteres mit Biederem verwechselt wird. Aus dem Blickwinke eines
Gottfried Biedermaier wird man der Zeit jedoch nicht gerecht. Das Wurzeln der Künstler
im Wohlgeordneten weist vielmehr auf Werte, die in der Lebenssphäre des Einzelnen
erkannt worden waren. So hat das Biedermeier bezeichnenderweise auch keine
Architektur, wohl aber eine hohe Kultur der Innenraumgestaltung hervorgebracht.
Stifters « Nachsommer » von 1857 beginnt mit dem Kapitel « Die Häuslichkeit »: damit
ist das Hauswesen gemeint, aber auch das Leben, mit dem sich ein Haus erfüllt. Dass die
Schilderung einer so verstandenen Häuslichkeit eine Kunstform sein kann, ist Grundlage
der Genremalerei. Ihr hat das Biedermeier in mannigfacher Abwandlung gehuldigt. Maler
zeichneten bevorzugt das Glück der Familie und besonders die Beziehung zwischen
Mutter und Kind nach. Die Intimität, die in diesem Bereich gewonnen wurde, übertrug
sich auf die gesamte Gattung und regelmässig schlug das Genre um in die Idylle,
gleichsam als solle immer und immer wieder neu die gute alte Zeit festgehalten werden.
Das Revolutionsjahr 1948 hat dann einen Schlusspunkt gesetzt und die Idyllen in die Zeit
des Vormärz verwiesen. Was danach als Genredarstellung entstand, hat nichts mehr von
der Frische einstiger Unbeschwertheit, sondern wirkt altväterlich. Mit den anbrechenden
Gründerjahren, dem Fortschrittsdenken und politischen Systemen, gegen die auch das
Regiment Fürst Metternichs eine gute alte Zeit war, versinkt das Biedermeier in
Vergessenheit. Die Landschaftsmalerei, der Liebling verschiedener Kunstepochen, ist ein
Kind auch des Biedermeier. Die Grosstaten der Malerei im frühen 19. Jahrhundert
gehören dieser Gattung an. Gebannt blickten die Künstler Wiens auf das Nahliegende,
die lieblichen und gebirgigen Gegenden Österreichs, und feierten es in ihren Bildern. Es
wäre jedoch falsch, den zugleich wirkenden Zug zur Ferne zu übersehen. Die
bedeutendsten Landschaftsmaler Wiens, Rebell, Waldmüller, Ender und Rudolf von Alt,
sind mehrfach nach Italien gezogen. Es sind dies seit Dürers Zeiten Reisen der
nordischen Künstler von einer geradezu sehnsüchtigen Gestimmtheit. Aber gegenüber
der vorhergehenden Generation etwa einer Kauffmann, eines Maron oder Knoller galten
nicht mehr Idealismus und Griechentum Winckelmanns_ als Magnet, sondern die südliche
Sonne, unter der die Maler Wiens dem stillen Gesetz getreu die Natur in ihrem
Facettenreichtum einfingen. Die Klarheit und Ungetrübtheit des Lichtes, die Sonnenglut
der Atmosphäre, das gläserne Leuchten und und Glänzen der Farben in der Helligkeit des
Südens prägen die Gemälde der Künstler auch in ihren späteren österreichischen
Werken. Ihre Biedermeier-Landschaften sind gleichsam gereinigt und durchsonnt von
den Erfahrungen im Licht Italiens. Wie so vielen Künstlergenerationen zuvor, war daher
[talien auch gegenüber den Malern Wiens eine Lehrmeisterin gewesen. Der Blick auf die
heimische Landschaft gilt nun aber nicht nur den Schauplätzen einer neuen Lichtmalerei.
Er umgreift ebenso, was sich in Anlehnung an Stifters Häuslichkeit mit Ländlichkeit
bezeichnen liesse. Das Leben der Landbevölkerung wird mit der Wärme und Innigkeit
geschildert, für welche die biedermeierliche Genremalerei das Rüstzeug liefern konnte.
Es handelt sich hier allerdings nicht um barocke Pastoralverspieltheiten oder die
Schäferidylle des Rokoko. Nun wird die Arbeit des Landmannes eingefangen und
zugleich das Eingebettetsein des Menschen in die Gewalten der Natur, einer friedlichen,
wie auch einer bedrohlichen, durch Gewitter, Sturm und Regen aufgewühlten Umwelt.
Mit geradezu programmatischer Anschaulichkeit hatte Beethoven hierfür das Zeichen
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