Volltext: Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

Wenn van Dyck auch in der heimatlichen Tradition der Porträtmalerei verwurzelt war, so wuchs er 
doch schnell über sie hinaus und erreichte die Blütezeit seines Schaffens in einem bemerkenswerten 
Tempo. Der Entwicklung seiner Fertigkeiten und Ideen im Jahre 1618 kann man von Bild zu Bild, 
einschließlich des hier beschriebenen Paares, folgen. Die Unterschiede zwischen der sorgfältigen 
Ausführung des Hintergrundes im Porträt eines Mannes und der größeren Sicherheit im Porträt 
einer Frau lassen Baumstark zu dem Schluß kommen, daß der Mann zuerst gemalt wurde (siehe 
New York 1985-1986, S. 309). Andere Beobachtungen, die diese Annahme stützen, schließen eine 
sparsamere Verwendung der Mittel ein, die van Dyck erlangte, indem er eine verwischte graue 
Imprimatura als mittleren Ton in der Halskrause der Frau benutzte. Die anderen datierten 
Gegenstücke aus dieser Zeit sind Brustbilder und schließen die Hände nicht mit ein. Diese Porträts, 
die möglicherweise zu den ersten Bildern gehören, auf denen die Hände zu sehen waren, zeigen 
bereits eines der Markenzeichen van Dycks auf, und zwar die bedeutende expressive Rolle, die er 
den Händen beimaß. Die eleganten, knochigen Hände der Frau sind wunderbar gegliedert, sie zeugen 
von ihrer Vornehmheit und lenken die Aufmerksamkeit auf ihre goldenen Ringe und Armbänder. 
Obwohl die Hände ihres Mannes schwerfälliger sind, sind sie doch genauso ausdrucksstark. 
Baumstark deutete ebenfalls an, daß die linke Hand des Mannes (die übermalt und erst vor Jahren 
wieder zum Vorschein kam) eine Prothese sein könnte: lang, flach und leblos liegt sie auf seinem 
Oberschenkel im Schatten. Seine rechte Hand, Papiere fest umklammernd, zeigt eine Anspannung, 
die den Anflug von Verwundbarkeit in seinen Augen Lügen straft. 
Beide Werke wurden vor 1712 erworben 
S.J.B 
LITERATUR: I/nv. 70: Kat. 1780, S. 212, Nr. 649; Kat. 1885, Nr.70 (als Rubens); Rooses 1890, S. 317 (als Rubens); 
Kat. 1896, S. 42-43; Bode 1906, S. 268 (als Van Dyck); Schaeffer 1909, Abb. S. 131; Rosenbaum 1928b, S. 332; 
Glück 1931, Abb. S. 81, S. 528; Baldass 1957, S. 253, Abb. 2, S. 256-257, 259-260; Ottawa 1980, S. 116; Schinzel 
1980, S. 114-115, 130-131; London 1982-1983, S. 11 Abb. 1; New York 1985-1986, S. 309; Müller Hofstede 1987- 
1988, S. 135-136, Abb. 6. 
Inv. 71; Kat. 1780, S. 217 Nr. 662; Kat. 1885, Nr. 71 (als Rubens); Rooses 1890, S. 317 (als Rubens); Kat. 1896, S. 
42-43; Bode 1906, S. 268 (als Van Dyck); Schaeffer 1909, Abb. S. 131; Rosenbaum 1928a, S. 15-17; Rosenbaum 
(928b, S. 332; Glück 1931, Abb. S. 81, S. 528; Baldass 1957, S. 253, Abb. 3, S. 256-257, 259-260, Abb. 2; Ottawa 
1980, S. 7, 116, 270 Abb. 2; Schinzel 1980, S. 114-115, 130-131. 
78 
Anthony van Dyck 
Flandern, 1599-1641 
PORTRAT EINER FRAU 
Öl auf Holz; 104 x 75 cm 
Inschrift: A° 1618. Aet. 58 
Liechtenstein Inv. Nr. 71 
Auf diesem Porträt und seinem Gegenstück in Vaduz ist das Jahr 1618 angegeben, das früheste 
Datum, das je auf einem Werk van Dycks gefunden wurde. Obwohl von großem Wert für das 
Verständnis und die Rekonstruktion von van Dycks Entwicklung, so ist das Porträtpaar doch noch 
wichtiger als Dokument eines bedeutenden Ereignisses im Leben des Malers. Am 11. Februar 1618 
wurde van Dyck in die Sankt-Lukas-Gilde, die Antwerpener Malergilde, aufgenommen. Vier Tage
	        

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