Schlüsselfragen des EWR
127
(2) Der EWR-Rat stellt übereinstimmend fest, dass bei den Nachverhandlungen
gemäss Art. 9 Abs. 2 Protokoll 15 zum EWRA die Elemente zu berücksichtigen sind,
welche die Fürstliche Regierung in ihrer einseitigen Erklärung zur Schutzklausel von
1992 genannt hat, "nämlich ein aussergewöhnlicher Anstieg der Zahl von Staats-
angehörigen der EG-Mitgliedstaaten oder anderer EFTA-Staaten oder der Zahl der von
diesen Staatsangehörigen insgesamt besetzten Arbeitsplätze in der Wirtschaft, und
zwar jeweils im Vergleich zur Zahl der inländischen Bevölkerung". (3) Schliesslich stellt
der EWR-Rat in seiner Erklärung fest, dass die Vertragsparteien für den Fall von
Schwierigkeiten eine Lösung anstreben werden, welche es Liechtenstein erlaubt, auf
Schutzmassnahmen zu verzichten *®,
Bei einer Bewertung dieser Erklärung fällt zunächst auf, dass der EWR-Rat die in Art.
15 Abs. 2 von Protokoll 15 zum EWRA enthaltene Wendung: "Bei Ablauf der
Übergangszeit werden die Vertragsparteien die Übergangsmassnahmen gemeinsam
überprüfen" ausdrücklich als (rechtlich relevante) Verhandlungspflicht bezeichnet. In
der liechtensteinischen Diskussion wurde bislang mitunter behauptet, die in Frage
stehende Bestimmung sei "praktisch nichts wert". Was den Inhalt der Erklärung
anlangt, so ist zwar zuzugeben, dass sie keine völkerrechtliche Verpflichtung im
traditionellen Sinn schafft. Sie hat aber durchaus rechtliche Qualität. Der EWR-Rat
(und damit auch die EU) hat sich auf zweierlei festgelegt: Einmal darauf, dass er nach
Ablauf der Übergangsfrist einer Lösung zustimmen wird, welche der besonderen Lage
Liechtensteins Rechnung trägt. Zum zweiten darauf, dass bei Auftreten von
Schwierigkeiten trotz dieser Lösung eine Regelung zu suchen ist, welche es Liechten-
stein erlaubt, von Schutzmassnahmen abzusehen. Dass der EWR-Rat von diesen
Zusagen wieder abrücken könnte, wie neuerdings von EWR-Skeptikern angenommen
wird, ist schwer vorstellbar. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf
hinzuweisen, dass die Erklärung auch von unabhängigen Beobachtern durchaus als
26 Vgl. Dokument EEE 1610/94 (Presse 280), 7.