Frans Hals (Werkstatt) (zwischen 1580 und 1585-1666)
Flötespielender Jüngling, um 1645-1650
Öl auf Leinwand
60,5 X 54,5 cm
Bez. über der rechten Hand des Spielers (Pinsel in Schwarz):
FH (ligiert)
LSK. 68.06
Dargestellt ist ein junger Mann beim Spiel auf der Querflöte.
Er trägt einen schwarzen Umhang mit Borten und Fransen am
Kragen und einen hohen Hut mit Feder. In diesem Kostüm und
mit dem — nach Kavaliersmode — schulterlangen Haar ist er als
Schausteller oder geckenhafter Galan erkennbar. Musikanten in
Halbfiguren- und Brustbildern entsprechen der Tradition der
— auf italienische Vorbilder des 16. Jahrhunderts zurückgehen-
den — niederländischen Caravaggisten. Frans Hals hatte seit der
Mitte der zwanziger Jahre wiederholt Bilder singender und mu-
Nach Frans Hals, Flötespielender Jüngling, um 1630
“The Toledo Museum of Art, Toledo, Ohio)
sizierender Halbfiguren geschaffen, die zahlreich kopiert und
imitiert wurden. Eine zweite Stilgruppe von halbfigurigen Gen-
;ebildern entstand in den vierziger und fünfziger Jahren; sie
schliesst an den grautonigen Spätstil und an die zu dieser Zeit
sehr freie Malweise des Künstlers an. Zu den typischen Werken
dieser Stufe gehören die beiden Fassungen des Flötespielenden
Jünglings in Vaduz und in Toledo, Ohio. Im Pigmentbefund ent-
spricht das im typischen Hals-Stil ausgeführte Vaduzer Gemäl-
de den anderen untersuchten Spätwerken dieses Meisters und
seiner Werkstatt: Bleiweiss, Kohlenstoffschwarz, Eisenoxid-
und Mennigrot, Umbra und Gelbocker sind die Komponenten
der sparsamen Palette.
Zwischen den eigenhändigen Werken des Meisters und den an
bestimmte Mitarbeiter — wahrscheinlich seine Söhne — delegier-
ten bestehen typische Unterschiede. Hals’ Farbauftrag ist insge-
samt dünner, vor allem in Schatten und Halbschatten. Der
pastose Farbauftrag wird den Lichtkanten vorbehalten, die mit
knappen, genau vorberechneten Akzenten betont sind. Zudem
5ilden die meisten Farbakzente nur an einer Kante oder Strich-
scke pastose Qualität aus und scheinen sich so aus dem Farb-
{luss herauszukanten. Demgegenüber sind die Gehilfenarbeiten
.n kräftig deckender Farbe und butterigen Strichlagen aufgetra-
gen. Man sieht die einzelnen Pinselstreifen linear aufgesetzt.
Das Vaduzer Bild ist auf eine diagonal gespannte Leinwand auf-
getragen, deren Struktur aufgrund zwischenzeitlicher Doublie-
rungen deutlich durchgeprägt ist. Der ungewöhnliche Farbver-
‚auf und die Abtrennung von vier Leinwandsegmenten in den
Bildecken dokumentieren einen Formatwechsel des Bildes. Ur-
sprünglich hat dieses so ausgesehen wie das 66 X 67 cm grosse
Bild in Toledo. Mit diesem stimmen die Details des Vaduzer Bil-
les grössenmässig überein. Beide Bilder sind als über Eck ge-
stellte Quadrate, als Rauten komponiert. Das ursprüngliche
Bildformat wurde in ein hochformatiges Rechteck abgeändert,
indem die vier Ecken rechtwinklig zueinander abgeschnitten
and an den schrägen Bildkanten angesetzt wurden. Dies geschah
zei der unteren Ecke durch Anfügung an den Ärmel der linken
Hand. Entgegen der Schwerkraft fällt dieser Ärmel nun dia-
gonal, was aber auch als momentanes Erscheinungsbild einer