Bruno Kaufmann (*1944)
Bruch, 17.8.1993
Farbkreide auf Karton
‘00 X 50 cm
130 X 100 cm Hartfaserplatte
Bez. u. r.: Bruno Kaufmann, 930817 Bruch
1SK 94.10
An die Stelle von Computer, Aluminium, Plexiglas und Loch-
blechen — Materialien, die frühere Arbeiten von Bruno Kauf-
nann in der Anonymität des industriell Gefertigten wesentlich
‚estimmten — ist nun die Farbkohle als ein zutiefst malerisches
Mittel getreten. Wenn Bruno Kaufmann bis anhin Farbe verwen-
det hat, so stets im Streben nach der reinen Farbe — als Farb-
schicht auf einem Trägermaterial, als farbiges Material oder
zuch als Licht. Punkt und Linie bildeten die Grundelemente der
Graphik, die Umsetzung erfolgte im emotionslosen Strich des
Plotters oder Druckers, gesteuert vom Computer. Bruch betitelt
Bruno Kaufmann nun seine neuen Arbeiten mit Farbkohle und
besagt damit offensichtlich, dass sich gegenüber früher einiges
‚erändert hat.
Bruno Kaufmann, der aus der Tradition des Konstruktivismus
kommt, verfolgt mittlerweile keine streng mathematische Logik
mehr, sondern vielmehr eine bildnerische Logik, die sich mit
dem Rhythmus von Form und Farbe auseinandersetzt. Eine matt
schimmernde Oberfläche mit Leuchtkraft und Tiefe verweist auf
das Grundthema der Malerei Kaufmanns: die Fläche und deren
Veränderung bzw. Unterbrechung. In der reduzierten Farbigkeit
kommen die feinen und feinsten Nuancen erst im Zusammen-
spiel mit der Fläche zur Geltung und können nur nebeneinander
unterschieden werden, so dass sich die ganze Spannbreite und
Jynamik erst im Bildganzen erschliesst. Die drei verschieden-
farbigen Teile von Bruch werden aus drei Kartons (um die not-
wendige Wirkung von Tiefe zu erreichen, unterlegt Kaufmann
schwarzen Karton) ausgeschnitten und dann, leicht gegeneinan-
der versetzt, wieder neu zusammengefügt. Damit nicht der
Eindruck einer sich auflösenden Farbe entsteht, fügt Bruno
Kaufmann die in gleichmässigen Abständen über das Bild ver-
laufende horizontale Linie ein, die der Farbigkeit Halt und eine
zewisse Härte, darüber hinaus aber auch eine rhythmische Un-
terteilung verleiht und schliesslich dafür sorgt, dass das Ganze
nicht als illusionistischer Tiefenraum, sondern als Fläche er-
scheint. Indem die horizontalen Linien — als flächenbelebende
Struktur — mit der leuchtendsten Farbe im nachhinein gezogen
werden, entsteht ausserdem ein interessantes Wechselspiel in
der Farbfläche, die das Wesentliche des Bildes ausmacht. Kauf-
manns Interesse gilt nicht dem Gegenstand. Er verzichtet auf
z;ymbolische und literarische Inhalte. Das Bild ist nicht Abbild,
sondern Form und Farbe, hat als solches Anteil an der Realität
und ist Anstoss zur Reflexion über Kunst.
Der Bruch vollzieht sich bei Bruno Kaufmann auf verschiede-
nen Ebenen: im Werk, vor allem aber formal und auch in geisti-
zer Hinsicht. Von der Informationslehre kommend, stellt der
Künstler die Verstehbarkeit der totalen Information als Ordnung
in Frage. Im Spannungsfeld von Ordnung und Chaos, objektiv
Messbarem und subjektiv Erlebbarem, ist die gedankliche Klar-
heit als Prozess des Nachdenkens sehr wichtig. In diesem Sinne
bleibt zutreffend, was Bruno Kaufmann einmal über Kunst
gesagt hat: «Kunst ist für mich eine spezielle Form des Nach-
denkens über das Sein — eine immerwährende Interaktion von
Material, sinnlicher Wahrnehmung, Bewusstsein, Reflexion und
Objektivierung. Sie ist eine mögliche Art des Hinterfragens der
Dinge im allgemeinen und der Kunst im besonderen.» A.G.
Herbert Albrecht, Bruno Kaufmann, Georg Malin. Ausst.-Kat. Fondation Vasarely,
Aix-en-Provence. Schaan, 1990, 0. S
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