Daraus kann sich für den Versicherer manche Einschränkung der Vertragsfreiheit
ergeben.?>!
1. Der Schutz vor unlauteren Versicherungsbedingungen
Die Versicherung ist im allgemeinen ein Massengeschäft. In zahlreichen Zweigen
bestehen daher Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. Kapitel 7). Im Bereich der
Privatversicherung nennt man sie "Allgemeine Versicherungsbedingungen" (AVB). Sie
bilden meistens den Hauptinhalt des Versicherungsvertrages. Daneben gibt es auch
"Besondere Versicherungsbedingungen". Mit ihnen wird der Vertrag im einzelnen Fall
konkretisiert und allenfalls in Abweichung von den AVB an die individuellen
Verhältnisse des Versicherungsnehmers angepasst.
Das Schwergewicht des Versicherungsgeschäftes liegt in den AVB:
Der Vertragsinhalt wird durch sie in weit höherem Masse geprägt und auf die
Bedürfnisse des einzelnen Versicherungszweiges zugeschnitten als durch die
Bestimmungen des VVG; denn diese sind oft ausgeschaltet, soweit sie dispositives Recht
darstellen.?°2
Die AVB, nicht aber die Besonderen Bedingungen, bedürfen der Genehmigung durch die
Regierung (Art 596 PGR). In der Schweiz gilt, dass wenn die Besonderen Bedingungen
ebenfalls typisiert sind und für erhebliche Teile eines Versicherungszweiges
Abweichungen von den AVB vorsehen, diese ebenfalls der Bewilligungspflicht
unterliegen.2°3 Dasselbe muss auch in Liechtenstein gelten, da ansonsten die Regelung
des Art 596 PGR sinnlos wäre.
Auch wenn Versicherungsbedingungen von der Regierung genehmigt sind, können sie
vom Zivilrichter frei auf ihre Gesetzmässigkeit, das heisst vor allem daraufhin geprüft
werden, ob sie zwingenden Bestimmungen des VVG widersprechen.?**
Was die Auslegung von AVB betrifft, so ist auf die in Kapitel 7.1 dargelegten
Auslegungsgrundsätze (Ungewöhnlichkeitsregel und Unklarheitenregel aufgrund des
Vertrauensprinzips ausgehend vom Grundsatz von Treu und Glauben des Art 2 SR bzw.
Art 2 PGR) hinzuweisen.
Zu beachten ist, dass die Besonderen Bedingungen den AVB vorgehen, etwa analog dem
Grundsatz: lex specialis derogat legi generali.?°>
Art 3 VVG sieht vor, dass die AVB entweder in den vom Versicherer ausgegebenen
Antragschein aufgenommen oder dem Antragsteller vor der Einreichung des Antrag-
scheines übergeben werden müssen (Abs 1). Der Antragsteller ist an den Antrag nicht
gebunden, wenn Abs 1 nicht genügt wird (Abs 2). Diese Bestimmung ist dispositiv.
Ebenfalls durch Parteienvereinbarung abgeändert werden kann Art 35, der die
Abänderung der AVB derselben Versicherungsart im Laufe der Versicherung regelt.
2. Der Schutz vor Illoyalität des Versicherers
Alle vertraglichen Rechte des Versicherungsnehmers sind wertlos, wenn er sie gegen den
Versicherer nicht durchsetzen kann.
Dem Schutz vor illoyalem Verhalten des Versicherers dienen verschärfte
schadensrechtliche Sanktionen, die Aufnahme einer Rechtsschutzgarantie in
251 Maurer, 137.
252 Maurer, 142.
253 Maurer, 143.
254 Vgl. Maurer, 143.
255 Maurer. 142