Grundbegriffe der Staatskunde
WOLLE TTS HUNT
Die Staatsgewalt
Von der absoluten Gewalt zur
Gewaltentrennung
Im Europa des 18. Jahrhunderts gab es
zahlreiche absolute Monarchien,
d.h. Regierungsformen, bei denen alle
Macht in einer einzigen Person, dem
Monarchen, vereinigt war: Er erliess
Gesetze, er sorgte dafür, dass sie aus-
geführt wurden, und er war zugleich
oberster Richter im Land.
Der Franzose Montesquieu (1689-1755)
forderte in seinem Werk «De L’Esprit
des Lois» die Trennung der Staatsge-
walten.
Nach und nach wurde die Idee der Ge-
waltentrennung In die Staatsverfassun-
gen übernommen.
Im modernen Rechtsstaat sind die drei
Staatsgewalten
— Legislative (gesetzgebende Gewalt)
Exekutive (vollziehende Gewalt) und
— Judikative (richterliche Gewalt)
weitgehend voneinander getrennt.
Für.die Legislative ist das Parlament
zuständig; die Exekutive ist Sache von
Regierung und Verwaltung, und
die Judikative haben die Gerichte inne.
Beinahe unbemerkt hat in modernen
Staaten eine vierte Staatsgewalt
ihren Platz eingenommen: die Medien
allen voran Fernsehen, Radio und die
sogenannten «Printmedien», also alle
Arten von Druckerzeugnissen. Zwar ha-
ben Medien auch schon früher In Form
von Flugblättern oder bereits als Zeitun
gen einen bestimmten Einfluss auf
Informationsverbreitung und Meinungs-
bildung gehabt; eine derartige Bedeu-
tung wie heute aber hatten die Medien
noch nie, und auch ihre Möglichkeit der
Meinungsbildung (etwas abwertend
kann geradezu von Meinungs«mache»
gesprochen werden) war zu keiner Zeit
so gross wie In unserer Zeit.
Weil heute jedes Medium (wenigstens
theoretisch) jeden einzelnen Erdenbür-
ger erreichen kann und weil dank Radio
und Fernsehen das Zielpublikum nicht
mehr unbedingt über Lesefähigkeiten
verfügen muss, um sich zu informieren
ist die Wirkung der modernen Medien
mit ihrem vielfältigen Angebot so un-
wahrscheinlich stark.
Personen und Ereignisse, Programme
und Projekte können innert kürzester
Frist einem Millionen«publikum» nahe-
gebracht werden. Umgekehrt können
unbequeme Projekte (oder Personen!)
einer oft unkritisch gewordenen Masse
so negativ gezeigt werden, dass die
Darstellung in den Medien zur unreflek-
tierten Meinung einzelner wird.
Die grosse Gefahr der Medien als «vierte
Staatsgewalt» besteht in der Möglich-
keit, eine grössere Anzahl von Leuten zu
manipulieren als je zuvor. Bei konse-
quenter (sprich: skrupelloser) Verwen-
dung dieser «vierten Staatsmacht»
könnte der Kreis wieder geschlossen
werden und eine neue absolute Gewalt
entstehen.