SET
Dieses Gedankengut wurde zu Beginn
des 20. Jahrhunderts in Liechtenstein
mit seiner eher konservativen und
2äuerlichen Gesellschaft als sozialistisch
und damit als «rot» angesehen, was aus
geschichtlicher Perspektive verständlich
ist. Die eher bürgerlichen und konser-
vativen Kreise, die sich ausdrücklich zur
Monarchie bekannten, scharten sich
um das Liechtensteiner Volksblatt.
Das Volksblatt hatte sich früher vehe-
nNent dafür ausgesprochen, dass es in
Liechtenstein keine Parteien geben
sollte, da diese nur die Einheit des Lan
des zerstörten. Doch vor den Wahlen
veröffentlichte auch das Volksblatt eine
eigene Liste von Landtagskandidaten.
So wurde der erste Wahlkampf in Liech-
tenstein für die Landtagswahl 1918 nich
zwischen zwei neuen Parteien ausge-
tragen, sondern er fand zwischen der
Volkspartei und der Liste des Volksblat-
‘es statt. In den Oberrheinischen Nach-
richten wurden die Gegner als «Herren-
partei» oder «Vaduzer Stammtischrunde»
bezeichnet. Das Volksblatt dagegen
warnte die Bevölkerung vor dem drohen-
den Sozialismus der Volkspartei.
Das Wahlergebnis dieser ersten gehei-
men und direkten Wahl fiel deutlich aus:
Die Volkspartei erreichte im Oberland
sechs von sieben Mandaten, im Unter-
Jand stellte sie zwei der fünf Abgeordne-
ten. Drei Abgeordnete wurden vom
Landesfürsten ernannt.
Ende 1918 führten aussenpolitisch wie
innenpolitisch unruhige Zeiten zur Grün-
dung einer zweiten Partei: Am 22. De-
zember 1918 konstituierte sich die
«Fortschrittliche Bürgerpartei» (FBP), de!
sich auch Parteigänger der Volkspartei
anschlossen. Bedingt durch die gesell-
schaftlichen Verhältnisse jener Jahre,
hatten sich in der Bürgerpartei vor allem
die bürgerlichen und konservativen
Bevölkerungsgruppen gesammelt: die
«Schwarzen», wie man sie als Alter-
native zu den «Roten» nannte.
Die Initiative zur Gründung der Bürger-
partei ging vom Redaktor des Liechten
steiner Volksblattes, Prof. Dr. Eugen
Nipp, und einigen Vaduzer Bürgern aus
Die Grundidee dieser Partei formulierte
Dr. Eugen Nipp in seiner Zeitung vom
27. Dezember 1918: «Zur Fortschritt-
lichen Bürgerpartei soll sich jeder unbe-
scholtene Liechtensteiner, wes Standes
und Berufes er sei, bekennen, der in
Treue zu unserem Fürsten und Fürsten
haus für einen gesunden, den Forde-
rungen der Neuzeit und zum Wohle des
Landes entsprechenden Fortschritt ein
treten will, für einen Fortschritt in den
Bahnen der Ordnung und der Gesetz-
‘chkeit.»
Beinahe zur selben Zeit veröffentlichten
im Januar 1919 die Christlich-soziale
Volkspartei und die Fortschrittliche Bür
gerpartei das Parteiprogramm in ihren
Zeitungen. Wenn auch die beiden Par-
teien in grundsätzlichen Punkten, wie In
Bekenntnis zur Demokratie, zur katho-