Verfassungsentwürfe und -projekte von 1848
zungen gefasst, aber vom Fürsten nicht bestätigt worden ist, in «gesetz-
liche Wirksamkeit, wenn auch die nachgesuchte Bestätigung binnen
vierzig Tagen nicht erfolgen würde», nachdem der Gesetzesbeschluss
dem Landesfürsten zur Genehmigung unterbreitet worden war ($ 81).
Ein derart restriktives Vorgehen sollte einsichtig machen, dass der
Beschluss dem Volkswillen entspricht, und sicherstellen, dass übereilte
Beschlüsse oder eine Willkürherrschaft zufälliger Majoritäten nicht
zustande kommen können.!? Dieses Verfahren gleicht dem Vorschlag
der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849.13 Der Land-
rat gibt sich selber eine Geschäftsordnung und wählt seinen Präsidenten
($ 77).
3. Verfassungspolitische Bedeutung
Die verfassungspolitische Bedeutung des vom Verfassungsausschuss im
Juli/August 1848 ausgearbeiteten Verfassungsentwurfs liegt darin, dass
er die Staatsgewalt zwischen Fürst und Volk teilt und eine Entwicklung
ın Gang bringt, die sich erst in der heute geltenden Verfassung von 1921
durchsetzt. Fürst und Volksvertretung verfügen nur über Teile der
Staatsgewalt, während Träger der Souveränität der Staat selber ist. Dies
entsprach der organischen Staatstheorie des deutschen Liberalismus im
19. Jahrhundert.!** Der Landrat repräsentiert zum ersten Mal das Volk.
Ihm gebührt in der Gesetzgebung gegenüber dem Fürsten der Vorrang,
dem nur mehr ein suspensives Veto zukommt. In einem revidierten Ver-
fassungsentwurf vom 22. Dezember 1849 zeigte sich der Landrat kom-
promissbereit und konzedierte dem Landesfürsten ein absolutes Geset-
zesveto, rückte also vom suspensiven Veto ab.!5
132 Vgl. Manfred Botzenhart, Die Parlamentarismusmodelle der deutschen Parteien,
S. 140.
133 Vgl. $ 101 Verfassung des Deutschen Reiches, publiziert in: Dietmar Willoweit/
Ulrike Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 575 (auch abrufbar unter
<www.e-archiv.li>).
134 Peter Geiger, Geschichte, S. 108 f.; vgl. zur Organismuslehre ausführlich Ernst-
Wolfgang Böckenförde, Der Staat als Organismus, S. 263 ff.
135 Vgl. zu den Gründen Peter Geiger, Geschichte, S. 173 f. Auch Fürst Alois II. lehnte
das suspensive Veto in den Übergangsbestimmungen ab. Siehe Peter Geiger, Revo-
lution, S. 40 und hinten S. 70.
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