Verantwortlichkeit gegenüber Landesfürst und Landtag
gegen verantwortliche Staatsdiener wegen Verfassungs- und Gesetzes-
verletzungen das «Recht des Antrages auf Anklage» bzw. «Vorstellungen
und Beschwerden» direkt beim Landesfürsten einbringen konnte.
Diese Bestimmungen verfolgten das Ziel, die Verfassungs- und
Gesetzmässigkeit der fürstlichen Regierung zu gewährleisten. Dafür war
in erster Linie der Landesverweser als Chef der fürstlichen Regierung
verantwortlich, der die Erlasse und Verordnungen des Fürsten gegen-
zeichnete und dadurch anstelle des Fürsten die inhaltliche Verantwor-
tung übernahm. Der Fürst kann für Handlungen, die er in Ausübung
seines Amtes begangen hat, nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Seine Person gilt als heilig und unverletzlich, was nichts anderes als
rechtlich unverantwortlich bedeutet. Die Verantwortlichkeit der fürstli-
chen Regierung bzw. des Landesverwesers beschränkte sich so gesehen
nicht nur auf die Verfassungsbindung des in seiner Person unverant-
wortlichen Landesfürsten, dessen «landesherrliche Regierungsrechte»
sie ausübten.” Sie erstreckte sich auch auf alle der fürstlichen Regierung
zur Behandlung zugewiesenen «wichtigeren» Angelegenheiten bzw. auf
diejenige «Amtswirksamkeit», die dem Landesverweser persönlich
anvertraut war.”! Als Chef der fürstlichen Regierung war er für «den
Zustand der Geschäftsführung bei der Regierung und den ihm unterge-
ordneten Ämtern und Organen» sowie «für die zweckmässige Führung
der ihm übertragenen Geschäftsleitung und für die eifrige entsprechende
Ausübung der ihm anvertrauten Amtsgewalt» verantwortlich.”?
Der Fürst hatte es in seiner Hand zu bestimmen, wie im entspre-
chenden Fall vorgegangen wird, ob er in der Sache selber befinden wollte
oder ob es zu einem strafgerichtlichen Verfahren kommen sollte. Er
konnte auch von einem Verfahren Abstand nehmen. Ein entsprechendes
Gesetz, das für die Durchführung einer Ministeranklage erforderlich
68 Siehe zum Missbrauch der Amtsgewalt $$ 101 ff. StG 1852. Es handelt sich hier um
das österreichische Strafgesetz vom Jahre 1852, das in Liechtenstein mit der Einfüh-
rungs-Verordnung vom 7. November 1859 auf den 1. Jänner 1860 in Kraft gesetzt
worden ist. Es ist publiziert, in: Amtliches Sammelwerk der Liechtensteinischen
Rechtsvorschriften bis 1863.
69 Siehe vorne S. 113 und 311 ff.
70 Siehe $ 35 Amtsinstruktion von 1862.
71 Vegl.$ 41 Amtsinstruktion von 1862.
72 Siehe $ 90 Amtsinstruktion von 1862.
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