Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Ausschliesslicher Kompetenzbereich des Landesfürsten — Alleinzuständigkeiten 
Auf Bedenken stösst, dass dieses Niederschlagungsrecht dem Fürsten 
zugesteht, auf Ministeranklageverfahren Einfluss zu nehmen bzw. auf 
die parlamentarische Kontrolle der Regierung einzuwirken. Dies ver- 
letzt den Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit und widerspricht 
allgemein rechtsstaatlichen Grundsätzen.?!? Dieser Aspekt rechtfertigt 
die Forderung, die Niederschlagung von Ministeranklageverfahren 
ebenso wie die Begnadigung oder Strafmilderung zugunsten eines Regie- 
rungsmitgliedes nach Art. 12 Abs. 2 LV von einem entsprechenden 
Antrag bzw. der «Zustimmung» des Landtages abhängig zu machen.229 
Das «generelle» Abolitionsrecht?! stellt einen Eingriff in den 
Bereich der Rechtspflege dar und lässt sich kaum mit dem Prinzip der 
219 Vgl. Michael Ritter, Beamtenrecht, S. 72 Fn. 76; Otto Ludwig Marxer, Die Organi- 
sation der obersten Staatsorgane, S. 21; siehe auch Christine Weber, Gegenzeich- 
nungsrecht, S. 181. Schon im ersten Bericht der Landtagskommission vom 31. Ok- 
tober 1996 zur Erarbeitung von Vorschlägen über eine Revision der Verfassung 
(LtProt. 1996 Bd. IV) heisst es zu Art. 12 Abs. 1 LV: «Die Niederschlagung einge- 
leiteter Untersuchungen wird z. T. als rechtsstaatlich bedenklich empfunden. Dage- 
gen wird angeführt, es handle sich um eine nicht unübliche Funktion eines Staats- 
oberhauptes. Die Kommission schlägt vor, die Frage einer allfälligen späteren Ver- 
fassungsrevision zu überlassen.» Dieses Thema wurde allerdings in den 
Verfassungsvorschlägen der Verfassungskommission des Landtages vom 29. Juni 
1998 nicht mehr aufgegriffen. 
220 Vgl. Thomas Allgäuer, Die parlamentarische Kontrolle über die Regierung, S. 299; 
Ernst Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 126 f. und 
137 f. und mit Bezug auf ihn Gerard Batliner, Parlament, S. 23; Christine Weber, 
Gegenzeichnungsrecht, S. 181; Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten 
Staatsorgane, S. 22. Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfas- 
sungsrecht, S. 81 verneint ein Niederschlagungsrecht des Fürsten in Verfahren der 
Ministeranklage, da sich das Niederschlagungsrecht «auf Verfahren zur Verfolgung 
von Delikten des gemeinen Strafrechts beziehe, darunter auch solchen der strafba- 
ren Verletzungen der Amtspflicht und verwandter strafbarer Handlungen gemäss $$ 
302 ff. StGB». Diese Auffassung lässt sich mit dem Wortlaut des Art. 12 LV wohl 
nicht in Einklang bringen. So Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 180. 
221 Gerard Batliner, Parlament, S. 23; Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 177 
bemerkt denn auch, «dass die Verfassung mit dem Niederschlagungsrecht dem 
Fürsten eine Befugnis zubilligt, die in der heutigen Zeit in dieser weitreichenden 
Form anderen europäischen Monarchen nicht mehr zusteht». Vgl. auch Ernst Pap- 
permann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 128, der sich erstaunt 
darüber zeigt, «dass sich das unbeschränkte Abolitionsrecht, das doch noch stark 
vom Geist mittelalterlicher Kabinettsjustiz zeugt, bis heute ungehindert in einer auf 
vielen Gebieten so modernen Verfassung wie der von Liechtenstein gehalten hat». 
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