Ausschliesslicher Kompetenzbereich des Landesfürsten — Alleinzuständigkeiten
«Souveränitätsakt»!9 umschrieben. Der Staatsgerichtshof beruft sich auf
die Lehre und lehnt einen rechtlichen Anspruch auf Gewährung von
Gnade aus Gründen mangelnder Justitiabilität zugunsten eines weitge-
hend freien Ermessens ab. Er hält fest, dass das liechtensteinische Recht
kein verfassungsmässiges Recht auf Gnade kennt. !% Bei Art. 12 LV han-
dele es sich um eine Kompetenznorm, die lediglich dem Landesfürsten
das Recht auf Begnadigung einräumt, nicht aber dem Einzelnen einen
rechtlich durchsetzbaren Individualanspruch.!®? Demnach kommen dem
Gnadenwerber keine Rechte zu, die eine negative Gnadenentscheidung
des Landesfürsten verletzen könnten.!”® Die Begnadigung erscheint
unter diesem Blickwinkel als «materiell rechtsfreie Entscheidung» des
Landesfürsten.!*! Für eine gerichtliche Überprüfbarkeit der Ermessens-
Gnadenakten durch das oberste Staatsorgan in eine Nahbeziehung zu den soge-
nannten «gerichtsfreien Hoheitsakten» gebracht habe.
187 Karl Kohlegger, Das Gnadenrecht des Landesfürsten, S. 141 unter Bezugnahme auf
Erwin Melichar, Von der Gewaltentrennung im formellen und materiellen Sinn
unter Berücksichtigung der Abgrenzung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung, ins-
besondere auf dem Gebiet des Strafrechtes, S. 64 ff., der die Gnadenbefugnis in
rechtsdogmatischer Sicht den Verwaltungsakten zuordne. «Der Gnadenerweis sei
aber aus dem Wesen der Gnade heraus einer durch das Gesetz näheren Determi-
nierbarkeit unzugänglich.» Dem sei, so Karl Kohlegger, für den liechtensteinischen
Rechtsbereich an sich zuzustimmen, «zumal sich hier der Verwaltungsakt der
Begnadigung zugleich als Souveränitätsakt als einer der beiden Träger der Staatsge-
walt nach Art. 2 der Landesverfassung, nämlich des Fürsten, darstellt». Günther
Winkler, Begnadigung und Gegenzeichnung, S. 40 bemerkt, dass Staatsakte des
Fürsten «keine Verwaltungsakte im herkömmlichen Sinn, sondern Regierungsakte
von unterschiedlicher Provenienz und Reichweite» sind.
188 Nach Stephan Breitenmoser, Rechtsgutachten zur Frage der Konsequenzen des
Urteils des EGMR, S$. 49 gibt es schon rein begrifflich kein «Recht auf Gnade»,
sodass eine Verletzung der EMRK nicht zur Diskussion stehen kann. Denn wer um
Begnadigung nachsuche, befinde sich «rechtmässig aufgrund der Verurteilung durch
ein zuständiges Gericht» in Haft (Art. 5 Abs. 1 Bst. a EMRK), «und falls nicht, so
sollte er ein anderes Rechtsmittel ergreifen».
189 StGH 1989/16 und 1990/3, Urteil vom 21. November 1990, zitiert nach Heinz Josef
Stotter, Die Verfassung, S. 91 f.
190 Siehe bei Christian Mickisch, Die Gnade im Rechtsstaat, S. 162 ff. die Argumente,
die im deutschen Schrifttum gegen die Justitiabilität von Gnadenentscheidungen
vorgebracht werden.
191 Klaus Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 265. Der Staatsgerichtshof weist in seinem Urteil
vom 21. November 1990 darauf hin, dass sich der Landesfürst bei seiner Gnaden-
entscheidung an die von der Verfassung «vorgegebenen Grundnormen» zu halten
hat. Karl Kohlegger, Das Gnadenrecht des Landesfürsten, S. 140 schliesst einen
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