Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Ausschliesslicher Kompetenzbereich des Landesfürsten — Alleinzuständigkeiten 
Ob eine solche Notsituation gegeben ist, entscheidet der Landesfürst 
nach freiem Ermessen. Er legt fest, ob und wann und in welchem 
Umfang er vom Notstandsrecht Gebrauch machen will. Er hat die 
«Kompetenzkompetenz», d. h. «die Kompetenz, den Inhalt seiner Kom- 
petenz in starkem Mass allein und endgültig zu definieren und zu 
bestimmen» (sogenannte Selbstermächtigung).® Genauso weitreichend 
sind die Notstandsmassnahmen, die der Landesfürst ergreifen kann. Das 
Notstandsrecht («in dringenden Fällen») ist so weit gefasst, dass es sich 
sowohl auf Gesetzgebungs- als auch auf andere Fälle des Notstandes 
erstreckt.# Die Rechtswirkung der getroffenen Anordnungen hängt 
nicht von der Zustimmung des Landtages ab, wie dies in den konstitu- 
tionellen Verfassungen üblich war.® Der Landesfürst kann den Landtag 
einseitig auflösen und auch die Regierung jederzeit entlassen. Nach 
Ablauf der sechsmonatigen Frist kann er erneut Notverordnungen erlas- 
sen. Er nimmt so gesehen die Stellung eines «Ersatzgesetzgebers» ein.% 
Als Mittel können Einzelmassnahmen, wie Verfügungen gegenüber 
einzelnen Personen oder die Auflösung des Landtages oder generelle 
Anordnungen infrage kommen, die in Form der Notverordnung erge- 
hen.” Sie benötigen die Gegenzeichnung des Regierungschefs. Ist aller- 
dings ein Regierungsmitglied nicht mehr vorhanden, das zur Ausübung 
des Amtes befugt ist, kann der Landesfürst eine Notverordnung auch 
ohne Gegenzeichnung erlassen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, 
wenn die Regierung durch Vertrauensentzug des Landesfürsten ihr Amt 
83 Nach Rene Rhinow, Rechtsgutachten, S. 57 wird, soweit eine Regelung des Not- 
standes in der Verfassung erfolgt, verlangt, dass das mit der besonderen Notstands- 
kompetenz ausgestattete Organ nicht selber über das Vorliegen eines Staatsnotstan- 
des entscheiden kann. Kritisch auch Gerard Batliner / Andreas Kley/Herbert Wille, 
Memorandum, 5. 8 f. 
84 Ernst Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 132. 
85 Vgl. Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 164 f. 
86 Formulierung in Anlehnung an Markus Gehrlein, Bundespräsident, S. 281, der sie 
im Zusammenhang mit dem «berühmt berüchtigten» Notverordnungsrecht des 
Reichspräsidenten unter der Weimarer Verfassung von 1919 (Art. 48) verwendet. 
87 Günther Winkler, Verfassungsrecht, S. 81 bezeichnet das Notverordnungsrecht als 
eine «ausserordentliche staatsrechtliche Handlungsform für Notfälle». 
88 Wird der Regierungschef wegen der Gegenzeichnung einer Notstandsverordnung 
strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, hat der Fürst aufgrund von Art. 12 
Abs. 1 LV die Kompetenz, das Verfahren niederzuschlagen. Siehe dazu Ernst 
Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 125 ff. 
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