Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Parlamentarische Regierungsteilhabe 
Über den Inhalt und den Umfang der Parlamentarisierung herrschte 
allerdings keine Klarheit. Setzt man den Begriff «parlamentarisch» in 
Art. 2 in Verbindung mit Art. 79 und 80 der Verfassung 1921, so lässt 
sich aus den damals angestellten Erwägungen der Schluss ziehen, dass 
man es nicht mit dem herkömmlichen Verständnis einer parlamentari- 
schen Regierung zu tun hat, wonach die Regierung in ihrem personalen 
Bestand vom Landtag bzw. von der Landtagsmehrheit abhängig ist. Die 
einvernehmliche Ernennung und Abberufung der Regierung und Regie- 
rungsmitglieder als Staatsakte des Fürsten und des Landtages sind viel- 
mehr als Instrumente zu betrachten, die im Sinne der damaligen konser- 
vativen Verfassungskräfte als Barrieren gegen eine zu weit reichende 
«Parlamentarisierung» der Regierung gedacht sind. Der Verfassunggeber 
hat sich insoweit an der parlamentarischen Idee orientiert, als er ein 
Regierungssystem gewählt hat, das zwar mit dem hergebrachten konsti- 
tutionell-monarchischen Verfassungskonstrukt nicht bricht, aber die 
monarchische Gewalt so beschränkt, dass beide Staatsorgane, Fürst und 
Landtag, sowohl bei der Bestellung als auch bei der Amtsenthebung der 
Regierung oder eines Regierungsmitgliedes zusammen wirken müssen, 
damit sie rechtswirksam werden können. Der Landtag stellt in diesem 
Kontext einen mitentscheidenden Faktor dar. Stellt man diesen Umstand 
in Rücksicht, kann man in einem eingeengten Sinne von einer Parlamen- 
tarisierung der Regierung sprechen.228 
Diese strukturelle Änderung, wonach der Landtag bei der Bestel- 
lung und Entlassung der Regierung ein Mitwirkungs- bzw. ein Mitent- 
scheidungsrecht erhalten hat, beinhaltet aber noch nicht ein parlamenta- 
risches Regierungssystem.2° Der Landtag kann über die Regierung nicht 
allein bestimmen. Diese Einschränkung trifft auch auf den Landesfürs- 
ten zu. Solange die Regierung sowohl auf das Vertrauen des Landtages 
als auch des Landesfürsten angewiesen ist, also eines «doppelten» Ver- 
trauens bedarf, verbleibt sie in den Formen des monarchischen Konsti- 
tutionalismus. So gehört die Regierungsbestellung und -entlassung, wie 
sie in den Art. 79 und 80 der Verfassung von 1921 geregelt ist, noch dem 
dualistischen Entscheidungsmuster des monarchischen Konstitutiona- 
228 Vgl. zu den Formen der Parlamentarisierung der Regierung Rainer Wahl, Die Be- 
wegung im labilen Dualismus des Konstitutionalismus, S. 110 f. 
229 A. A. Andreas Schurti, Verordnungsrecht der Regierung, S. 129 f. 
211
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.