Verfassungshoheit und Teilung der Staatsgewalt
Eine solche absolutistische Souveränitätsvorstellung ist in der Verfas-
sung von 1921 nicht mehr zu rechtfertigen, auch wenn sie in der Einlei-
tungsformel nach wie vor Platz findet.!!? Sie stellt die Monarchie in die
religiöse Kontinuität des Gottesgnadentums, das bisher zur Begründung
des monarchischen Prinzips herangezogen wurde, und bleibt auf diese
Weise ein Stück weit in enger Abhängigkeit von ihrer Vorgängerver-
fassung. Die Vorstellung, dass der Fürst Träger der Staatsgewalt ist, als
«geheiligte Person»!!? oder kraft eines unmittelbaren göttlichen Auftrags
handelt, ist als Legitimationsbegründung weder denkbar!!* noch mit
der Verfassung vereinbar, da sie eine Teilung der Staatsgewalt zwischen
Fürst und Volk vorgenommen hat und nach ihr alle staatliche Gewalt,
also auch der Fürst, an die Verfassung gebunden ist, sie mit anderen
Worten zu halten hat.!!l5 Der Fürst steht nicht über und ausserhalb der
Verfassung.
Dieser legitimatorische Rückbezug auf die Konstitutionelle Verfas-
sung von 1862 dürfte verschiedene Gründe haben und erklärt sich ins-
besondere aus den damaligen Zeitumständen, die ein «republikanisches»
Ansinnen im Gefolge des Ersten Weltkrieges befürchten liessen, da
Deutschland und Österreich zu Republiken umgestaltet wurden. !!®
112 Zu weitgehend ist die Kritik von Peter Häberle, Monarchische Strukturen, S. 376,
der als «Zwischenergebnis» festhält: «Die inhaltlich älteste, der absoluten Monar-
chie vergleichweise nahe, sich als <«konstitutionelle Erbmonarchie> deutende Verfas-
sung ist die von Liechtenstein (1921).>»
113 So die ursprüngliche Fassung von Art. 7 Abs. 2 LV 1921, geändert durch die Ver-
fassungsrevision von 2003, LGBl. 2003 Nr. 186.
114 Nach Thomas Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft, S. 239 konnte
das Gottesgnadentum als Rechtfertigung des monarchischen Prinzips nur im Rah-
men einer religiös-sakralen Weltordnung eine tiefere Wirkung entfalten. Eine sol-
chermassen fundierte Ordnung war aber im 19. Jahrhundert zugunsten einer ratio-
nal begründeten Herrschaftsordnung aufgegeben worden.
115 So ausdrücklich Art. 2 2. Satz LV 1921: «[...] und wird von beiden (Fürst und Volk)
nach Massgabe der Bestimmungen dieser Verfassung ausgeübt». Die Verfassung von
1921 ist im Unterschied zur Konstitutionellen Verfassung von 1862 ($ 119) auch
«allgemein» verbindlich (Art. 111 Abs. 1) geworden. Darauf macht Gerard Batliner,
Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 21 f. aufmerksam.
116 Herbert Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 98 f.
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