Praxis der direkten Demokratie
einen Aufruf an allfällige Gegner der Volksinitiative, die eine Stellung-
nahme einbringen möchten, sich bei der Regierungskanzlei zu melden.
Grund war, dass der Landtag und die Regierung die Initiative befürwor-
teten, sodass in der Abstimmungsinformation allenfalls nur befürwor-
tende Argumente zu lesen gewesen wáren.$
Kritisch ist hingegen die Frage zu beurteilen, wie stark sich die Re-
gierung in eine Abstimmungskommunikation einschalten darf. Es be-
steht kein Zweifel, dass die Exekutive, die ja meist unmittelbar von
Volksentscheiden betroffen ist, ihre Haltung zu einer Abstimmungsfrage
mitteilen darf oder sogar verpflichtet ist, dies zu tun. Zu einem entspre-
chenden Ergebnis gelangt auch Kuoni in einem Rechtsvergleich zwi-
schen der Schweiz und Deutschland.9! Kritisch wird es hingegen, wenn
die Regierung über eine sachliche und verhältnismässige Informationstä-
tigkeit hinausgeht und sich als prominenter Kampagnenakteur beteiligt
sowie in grossem Stil finanzielle Mittel für eine Abstimmungskampagne
einsetzt. Wo hierbei die Grenze zu ziehen ist, wäre anhand von Abstim-
mungsbeschwerden beim Staatsgerichtshof auszujudizieren. Entspre-
chende Rügen sind bereits erteilt worden, etwa bei der EWR-Kampagne.
Allerdings haben solche Beschwerden bisher nicht zu einer Annullation
einer Abstimmung geführt.
6.7.5 Direkte Demokratie und Informiertheit
Verschiedene Autoren befassen sich mit der Frage, ob Bürgerinnen und
Bürger in Systemen mit direkter Demokratie besser informiert und stär-
ker engagiert sind. Die Befunde weisen deutlich in diese Richtung.62
Allerdings sehen Skeptiker der direkten Demokratie auch immer die
Gefahr von Manipulation und Demagogie. Insbesondere sind die Behör-
620 Der Landtag beschloss am 9. Juni 2016, eine Volksabstimmung über das Initiativbe-
gehren «Familie und Beruf» durchzuführen. Der Aufruf an allfällige Gegner erfolg-
te am 1. Juni 2016 (Liechtensteiner Vaterland und Liechtensteiner Volksblatt) sowie
im elektronischen Amtsblatt (www.amtsblatt.Ilv.li). Die Volksabstimmung wurde
auf den 18. September 2016 angesetzt.
621 Kuoni 2014, S. 170-179.
622 Benz und Stutzer 2007; Büchi 2007.
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