Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Praxis der direkten Demokratie 
Eine Initiative jüngeren Datums, welche eine fehlende qualifizierte 
Mehrheit im Landtag umging, war die Volksinitiative des Fürstenhauses 
zur Abänderung der Verfassung, über welche 2003 abgestimmt wurde. 
Die Initiative wurde ergriffen, weil sich abzeichnete, dass das notwen- 
dige qualifizierte Mehr im Landtag nicht zu erreichen war (siehe Kapitel 
2.2.3 und Kapitel 2.2.4.3 zu den Verfassungsabstimmungen 2003). 
In der Praxis sind Vorlagen, welche der Landtag von sich aus dem 
Volk zur Abstimmung vorlegt, besonders wichtige Sachgeschäfte oder 
solche, die die politischen Volksrechte oder bürgerliche Rechte betref- 
fen, oder in der Öffentlichkeit stark umstrittene Vorlagen, welche ohne- 
hin die Gefahr eines Referendums bergen. Ein Landtagsbegehren ist je- 
doch keineswegs ein routinemässiger Vorgang. Die bescheidene Zahl an 
Landtagsbegehren belegt dies. Es kommt häufig vor, dass selbst Be- 
schlüsse über eine Revision des Volksrechtegesetzes im Landtag gefasst 
werden, ohne eine Volksabstimmung anzuordnen. 
Der Landtag erweist sich nicht als Motor der direkten Demokratie, 
sondern entscheidet im Regelfall, ohne das Volk in die Entscheidung ein- 
zubeziehen. Aktuelle Beispiele einer eher reservierten Haltung des 
Landtages zu Volksentscheiden waren die Debatten über die Initiative 
zur Lockerung des Rauchverbots in der Gastronomie im Herbst 2008 
sowie der Beschluss über die Reform der Sekundarstufe I (SPES). Im 
Falle der Initiative stimmte der Landtag dem Sammelbegehren zu, lehnte 
aber mehrheitlich die Anordnung einer Volksabstimmung ab — obwohl 
das Begehren als Volksinitiative eingereicht wurde. SPES war ebenfalls 
eine umstrittene Vorlage im Landtag, begleitet von vielen kritischen Stel- 
lungnahmen und einer breiten, öffentlich ausgetragenen Auseinander- 
setzung. Trotzdem wollte der Landtag nach dem SPES-Beschluss keine 
Volksabstimmung anordnen. In beiden Fällen wurde dieses Versiumnis 
des Landtages durch Referenden korrigiert, sodass schliesslich doch das 
Volk abstimmen konnte: einmal mit Annahme, einmal mit Ablehnung. 
Ein anderes Beispiel für eine zunehmend reservierte Haltung des 
Landtages gegenüber eigenen Begehren zeigt sich bei der Wahlrechtsent- 
wicklung. Wahlrechtsänderungen waren in der Innenpolitik häufig um- 
stritten und es herrschte lange Zeit Konsens, dass das Volk über rele- 
vante Wahlrechtsänderungen entscheiden soll (siehe Kapitel 6.3.1 über 
Wahlrechtsentscheidungen). Obwohl jedoch das Volk die Senkung des 
Wahlrechtsalters 1992 abgelehnt hatte, wurde das Wahlalter ohne Volks- 
abstimmung vom Landtag im Jahr 1999 auf 18 Jahre gesenkt. Im Jahr 
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