Initianten und Art der Volksabstimmungen
Parteien und deren Wählerschaft kontrovers aufgefasst. Volksabstim-
mungen entlasten somit die Parteien von internen Zerreissproben. Ein
anderes Motiv kann sein, dass eine Minderheitspartei mit Volksabstim-
mungen grössere Chancen sieht, die eigenen Anliegen durchzusetzen, als
wenn sie im Parlament beraten und dort mandatsverteilungsbedingt
wahrscheinlich abgelehnt werden.
In Liechtenstein sieht die Motivlage etwas anders aus. Der institu-
tionelle Kontext überlässt es nicht einfach den Behôrden, zu entscheiden,
ob eine Volksabstimmung stattfinden soll oder nicht, da das Volk selbst
in den meisten Sachfragen eine Volksabstimmung herbeiführen kann.
Das Parlament kann daher berücksichtigen, wie wahrscheinlich ein Refe-
rendum ist. Wenn der Landtag von sich aus eine Volksabstimmung anbe-
raumt, kann er signalisieren, dass die Volksmeinung respektiert wird.
Dies ist jedoch angesichts der geringen Zahl an Landtagsbegehren offen-
sichtlich ein schwach gewichtetes Argument. Hingegen eröffnet das In-
strumentarium von Referendum und Initiative den Parteien einen ausser-
parlamentarischen Handlungsspielraum, da solche Instrumente nicht sel-
ten von Parteien ergriffen werden. Insbesondere die parlamentarischen
Minderheiten kónnen sich dieses Instrumentariums mitunter wirksam
bedienen. Im Falle von Verfassungsánderungen erfordert das qualifi-
zierte Mehr'? im Landtag ohnehin die Unterstützung beider Grosspar-
teien, sodass der geschlossene Widerstand einer Grosspartei nur auf dem
Wege einer Volksinitiative gebrochen werden kann.
Historische Beispiele hierfür sind Initiativen verschiedener Par-
teien zur Abänderung des Wahlrechts, welche das Proporzwahlrecht
(VP 1930, 1935), die Sperrklausel (FL 1992), die Mehrheitsklausel (FBP
1975, 1981), die Zahl der Landtagsabgeordneten (FBP und VU 1985)
sowie das doppelte Ja bei Abstimmungen (FL 1987) betrafen (siehe
Abstimmungen über das Wahlrecht in Kapitel 6.3.1). Weitere Beispiele
sind die Initiativen zur Kontrolle der Justizverwaltung (VU 1989) und
für das Minderheitenrecht auf Kontrolle (FBP 1989), die Initiative
zur Finführung eines Staatsvertragsreferendums und eines Diskrimi-
nierungsverbots (FL 1989 und 1992) sowie die Krankenkasseninitiative
(FBP 1999).
452 Für das qualifizierte Mehr sind drei Viertel aller Stimmen in zwei aufeinanderfol-
genden Sitzungen oder Einhelligkeit in einer einzigen Abstimmung erforderlich.
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