Direkte Demokratie: Was ist darunter zu verstehen?
Nationalrates nach dem Majorzwahlsystem.»22 Im Gegensatz zu Buche-
lis Auffassung werden Wahlen allerdings heute meist nicht zur Kategorie
der direkten Demokratie gezählt.
Weixner konstatierte 2002 zu Recht einen Mangel an einer letztgül-
tigen Definition von direkter Demokratie ebenso wie an direktdemokra-
tischen Instrumenten. Jedenfalls aber siedelt sie die Instrumente des
Plebiszits, des Referendums und der Initiativen, für welche aber unter-
schiedliche Begriffe verwendet werden, im Kontext der direkten De-
mokratie an.
Kirchgässner et al. hatten 1999 in ihrer Abhandlung über die di-
rekte Demokratie in der Schweiz die praxiserprobten Instrumente vor
Augen, verzichteten also ebenfalls auf eine explizite Definition. Direkte
Demokratie ist insofern assoziiert mit Volksrechten, die Volksabstim-
mungen nach sich ziehen können. Es ist den Autoren jedoch bewusst,
dass «die Schweiz natürlich keine rein direkte Demokratie, weder auf
der Bundesebene, noch auf der Ebene der Kantone [ist]. Sie ist gerade auf
der Bundesebene zuallererst eine repräsentative Demokratie, wie alle
anderen heute existierenden Demokratien auch. Aber sie verfügt nicht
nur über die Institutionen der repräsentativen Demokratie, vor allem ein
vom Volk gewähltes Parlament und eine demokratisch legitimierte
Regierung, sondern auch über direkte Volksrechte.» Sie schliessen sich
somit auch dem Vorschlag von Haller an, eher von einer halbdirekten
Demokratie zu sprechen.^ Unter den direkten Volksrechten werden
dann in der Folge die bekannten Instrumente der Schweiz betrachtet,
also Initiative, fakultatives und obligatorisches Referendum.
Schiller und Mittendorf (2002) versuchen, Ordnung in den Be-
griffswirrwarr zu bringen, den man im internationalen Sprachgebrauch
vorfindet. Unter direkter Demokratie verstehen sie «all diejenigen Betei-
ligungsformen, die durch einen Auslôsungsakt «von unter für Sachent-
22 Bucheli 1978, S. 10ff.
23 Weixner 2002, S. 82.
24 Kirchgissner et al. 1999, S. 4. Dort auch Verweis auf Haller 1994. Die letztlich in den
meisten Staaten sehr geringe Zahl an Volksabstimmungen im Verhältnis zu den von
Reprásentativorganen getroffenen Entscheidungen unterstreicht den Charakter der
halbdirekten Demokratie. Bemerkenswert im Falle Liechtensteins ist, dass viele
Abstimmungen untergeordnete Sachverhalte betreffen, während gleichzeitig Ent-
scheidungen von enormer Tragweite mitunter ohne Volksbeteiligung entschieden
werden. Siehe auch Marxer 2012e.
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