Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Gegenvorschlag des Landtages zu einer Volksinitiative 
3.5.2 Verfahren bei einem Gegenvorschlag 
Es fragt sich, ob ein Gegenvorschlag wie ein normaler Gesetzgebungs- 
vorgang behandelt wird oder ob es für den Gegenvorschlag ein eigenes 
Verfahren gibt. Das normale Gesetzgebungsverfahren des Landtages 
besteht nach der Geschäftsordnung des Landtages «in der Regel» in der 
Behandlung im Landtag in zweimaliger Lesung an verschiedenen Land- 
tagssıtzungen, einer Schlussabstimmung sowie anschliessend allenfalls 
einem Beschluss, die Vorlage dem Volk zur Abstimmung zu unterbrei- 
ten. Ein Gesetzes- oder Finanzbeschluss benötigt eine Mehrheit, ein 
Verfassungsbeschluss eine qualifizierte Mehrheit — also Einstimmigkeit 
oder Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Landtages an 
zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen. 
Im jüngsten Beispiel, dem Gegenvorschlag des Landtags zum for- 
mulierten Initiativbegehren «Für das Leben» im Jahr 2005, wurde der 
Weg formal korrekt eingehalten. Am 21. September 2005 beriet der 
Landtag den von den Fraktionen der FBP und VU eingebrachten Ge- 
genentwurf zur Initiative erstmalig und gemeinsam mit der Initiativvor- 
lage.7? Der Entwurf der Initianten wurde abgelehnt (Abstimmung: 
2 Stimmen für die Initiativvorlage), wahrend der Gegenentwurf mit 
23 Stimmen angenommen wurde. Da es sich um ein Verfassungsgesetz 
handelte, welches eine qualifizierte Mehrheit benótigte, wurde für die 
zweite Abstimmung eine weitere Landtagssitzung (Sondersitzung) auf 
den 28. September anberaumt.?! An dieser Sitzung wurde dem Gegen- 
vorschlag des Landtags wieder mit 23 Stimmen zugestimmt. Falls es sich 
um einen Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe gehandelt hätte, hätte er 
notfalls an einer Sitzung mehrheitlich beschlossen werden kónnen. 
Der Abgeordnete Paul Vogt (FL) beantragte daraufhin, dass der 
Landtag «der guten Form halber» darüber abstimmen solle, ob der 
Landtagsbeschluss der Volksabstimmung unterbreitet werde. Der Abge- 
ordnete Rudolf Lampert (FBP) entgegnete, dass seiner Meinung nach 
der Gegenvorschlag weder einen formellen Beschluss zur Volksabstim- 
mung benótige noch überhaupt Behandlung an zwei aufeinanderfolgen- 
den Sitzungen benôtigt hätte, da es sich um einen Gegenvorschlag, nicht 
  
320  LTP vom 21. September 2005, S. 846—868. 
321  LTP vom 28. September 2005, S. 1353-1355. 
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