Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

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Formulierte Initiative 
wurf sah zwei Bestimmungen vor: «Die im Jahr 1939 gewählte zweite Gerichtsin- 
stanz wird mit dem heutigen Tage aufgelóst» (Art. 1) und «Für den Rest der Amts- 
dauer sind sofort Neuwahlen vorzunehmen» (Art. 2). Es ging eigentlich nicht um 
die Auflósung des Obergerichtes als Gerichtsinstanz, sondern um die Absetzung 
des Obergerichtsprásidenten. Vorausgegangen war eine schriftliche Beschwerde bei 
der Regierung, dass das Obergericht Verfahren verschleppe. In der Begründung zur 
Initiative heisst es wiederum: «Beim Obergericht besteht schon durch Jahre eine 
schleppende Geschäftsstätigkeit. Das Tempo des Gescháftsbetriebes konnte durch 
blosse Wünsche nicht gesteigert werden. Die Rechtssuchenden empfinden durch 
diese Schlamperei materielle Einbussen.» Auf Anfrage der Regierung machte Ober- 
gerichtsprásident Dr. Jakob Müller aus Sargans in einem Schreiben vom 30. Juni 
1941 verschiedene Gründe für diesen Zustand geltend: Gesundheitliche Probleme in 
den letzten beiden Jahren, die «Einschränkung der Heizung» im letzten Winter und 
dass ihm «familiär so Schweres zugestossen [sei], das mich nicht nur seelisch schwer 
niederdrückte und plötzlich vor ungeahnte und unbekannte dringende vorüberge- 
hende Aufgaben stellte, dass die Arbeitskraft während vielen Wochen stark beein- 
trächtigt war. Zudem haben wiederholte militärische Beanspruchungen mich der 
Erfüllung meiner zivilen Obliegenheiten weiter entzogen.» Der Abgeordnete Os- 
wald Bühler, Rechtsagent aus Mauren, stellte mit Schreiben vom 2. Juli 1941 kriti- 
sche Fragen an den Landtag: «Ich sehe mich veranlasst, die Anfrage zu stellen, ob 
dem Landtage bekannt ist, dass beim Obergericht nicht mehr gearbeitet wird. Ich 
frage weiter an, ob dem Landtage bekannt ist, dass durch diesen Umstand Parteien 
arg geschädigt werden. Es sind bereits Prozessakten verloren gegangen. Entschei- 
dungen wurden nicht gefällt die schon ca. 10 Jahre anhängig sind.» Die Regierung 
Hoop bemühte sich in der Folge, den St. Galler Kantonsrichter Dr. Jakob Eugster 
als Nachfolger für Dr. Müller zu gewinnen, und nahm in dieser Frage auch mit dem 
Regierungsrat des Kantons St. Gallen Kontakt auf. Am 2. September konnte die 
Regierung die Demission Müllers bestätigen und am 5. September dem Landtag Dr. 
Eugster als Nachfolger «für die restliche Amtsperiode bis 1942» vorschlagen, wel- 
cher auch einstimmig gewählt wurde. Am 28. Januar 1942 berichtete der neue Ober- 
gerichtspräsident, dass ihm beim Amtsantritt 50 Pendenzen überreicht worden 
seien, «die zum Teil bis auf das Jahr 1931 zurückreichen.» Ein Teil sei entschieden, 
aber nicht ausgefertigt worden, ein anderer noch gar nicht verhandelt worden. «Ob 
dieses Verzeichnis vollständig ist, entzieht sich meiner Kenntnis, doch vermute ich, 
dass das nicht der Fall sei, da mir inzwischen Fälle bekannt wurden, die noch nicht 
erledigt waren und auf diesem Verzeichnis nicht figurierten.» Er listete 28 Fälle auf, 
die er inzwischen erledigt habe. Die anderen Fälle habe er noch nicht erledigen kön- 
nen, weil er «bis heute noch nicht in den Besitz der bezüglichen Akten gelangen 
konnte.» Die von Klemens Gassner gestartete Initiative war hinfällig geworden und 
wurde stillschweigend nicht weiterverfolgt.27 
LI LA RF 205/115/1ff. 
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