Volltext: Die Entwicklung der Jugendfürsorge in Liechtenstein von 1930-1970 mit besonderer Berücksichtigung der Sozialhilfe und der behördlichen Versorgung

Fürsorgerin hielt sich stets auf dem Laufenden, informierte sich über das Leben der 
Betroffenen sowohl bei ihnen Zuhause als auch bspw. in der Anstalt. So konnte sie auf 
Missstände aufmerksam machen. Die Fürsorgerin wurde manchmal durch die 
Säuglingsfürsorgerin veranlasst, bei einer Familie nach dem Rechten zu sehen, bspw. in 
einem Fall von „erzieherischer Verwahrlosung“. Im dazugehörigen Bericht bemängelt die 
Fürsorgerin den Zustand der Matratzen, die nur am Boden liegen, zudem mangle es an 
sauberer und ordentlicher Wäsche, der Stubentisch sei schräg und die Wohnung allgemein 
verschmutzt. Vom verwahrlosten Zustand der Kinder wurde sie schon durch die Lehrerschaft 
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informiert. "^ In diesem Fall erklárte sich die Fürsorgerin bereit, , 1m Land gute Pflegeplàtze 
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fir die Kinder ausfindig zu machen, so schwierig dies wohl sei. Es soll vorerst eine 
Familienhelferin eingesetzt werden, die jedoch viel Unterstützung benötige. 
In der folgenden Fallgeschichte, in der es um eine ganze Familie geht, war die Nachfolgerin 
von Irma Jehle, Hedwig Gilgorin, über mehrere Jahre lang beschäftigt. Die Quellen sind zum 
einen die Korrespondenz zwischen der Fürsorgerin, der Gemeinde und der Regierung und 
zum anderen Fürsorgeberichte von Gilgorin an die Regierung. Auf die Verhältnisse der 
Familie wurde die Fürsorgerin durch den Pfarrer der Gemeinde aufmerksam gemacht. Er 
berichtete ihr vom schlechten Zustand des Kindes der Eheleute, worauf sich auch der Lehrer 
desselben meldete. Das Kind fehle oft in der Schule und sei häufig „verweint u. verstört“. ^? 
Die Fürsorgerin kümmerte sich vor allem um die jugendliche Tochter, die sich nicht getraute, 
ins Elternhaus zurückzukehren. Die Eltern waren chronisch alkoholabhängig. Durch die 
Erkundungen und Nachforschungen der Fürsorgerin und aufgrund von Gesprächen mit der 
Tochter sowie den Eltern, wurde die Tochter der elterlichen Gewalt entzogen und es wurde 
335 Die Tochter 
von der Gemeinde beantragt, die Eltern dem Fürsorgedienst zu unterstellen. 
wurde zunächst in einer heilpädagogischen Station aufgenommen und dann in einer 
Pflegefamilie in der Schweiz untergebracht, wo es ihr gefiel. ”° Die Eltern hatten zum einen 
durch Briefe und Versprechungen als auch ohne Einwilligung der Behórden versucht, die 
Tochter zurückzuholen. Die Fürsorgerin ordnete deshalb an, dass die Mutter zur 
Alkoholentwóhnung in eine Heilanstalt gebracht werden soll. Würde diese dem nicht 
  
??LLA RF 265/34, Versorgung liederlicher Personen — Familienstreitigkeiten, 1952. 
355 Vel. ebd. anlásslich einer Konferenz zu diesem Fall am 21.10.1952. 
?*! Vel. LLA RF 288/34, Familienstreit, 1962-1966, Brief vom 15.10.1962 der Fürsorgerin an die Regierung. 
355 Ebd. Schreiben vom 03.10.1962 der Gemeinde [x] an die Regierung. Sie bezog sich dabei auf das erst 
eingeführte Jugendwohlfahrtsgesetz: ,,Es scheint uns deshalb gerechtfertigt, beide Eheleute im Sinne des 
Gesetzes vom 20. November 1958 dem Fürsorgedienst zu unterstellen.“ (das Gesetz wurde erst am 20. April 
1959 ausgegeben, LGBI. Nr. 8, aber angenommen am 23.12.1958). 
99 Vgl. RF 288/34, Familienstreit, 1962-1966, Brief vom 15.10.1962 der Fürsorgerin an die Regierung. 
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