I. Einleitung und Aufbau der Arbeit
A. Einleitung ins Thema
Sezessionen und Sezessionsbestrebungen sind ein weltweites und nahezu immer aktuelles
Thema.! Legitimation, Verfahren und Anerkennung von Sezession sind sowohl in der Politik
als auch im juristischen Diskurs umstrittene Themen. Der Begriff "Sezession" bedeutet die
Abspaltung eines Teilgebiets von einem Staat durch ein Volk oder eine Minderheit, um einen
eigenständigen Staat zu bilden oder sich einem anderen Staat anzuschliessen, wáhrend der Ge-
samtstaat mit verkleinertem Territorium weiterbesteht? Diese Definition wird auf die inner-
staatliche Abspaltung eines Gebietes von einem Gliedstaat, welche die Landesgrenzen nicht
verándert, ausgeweitet.^ Teilweise wird eine andere Ansicht vertreten und auf diese Ausweitung
verzichtet. Die Definition wird im Gegenzug dahingehend eingeschránkt, dass die Sezession
nur gegen den Willen der Regierung erfolgen kann.° Im Vôlkerrecht wird das Sezessionsrecht
als mógliche Form der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Vólker angesehen.?
Das Selbstbestimmungsrecht ist eine wichtige vólkergewohnheitsrechtliche Norm, aus welcher
diverse Ansprüche (freie Entscheidung über Schicksal, Einmischungsverbot usw.) abgeleitet
werden.” Sezessionen werden vorwiegend abgelehnt, da sie der vólkerrechtlich angestrebten
Stabilität der Staaten zur Friedenssicherung widersprechen und erfahrungsgemáss mit Gewalt
verbunden sind. In Ausnahmefällen muss eine Sezession aber für zulässig erklärt werden.®
In der Literatur wird die Sezession von Gliedstaaten oder grösseren Territorien viel diskutiert;
kaum aber die Abspaltung einer noch kleineren Einheit wie einer Gemeinde. Dies ist nicht wei-
ter verwunderlich, da die Sezession eines so kleinen Gebietes nahezu utopisch ist. Gründe für
den Austritt einer Gemeinde können aber sehr naheliegend sein, man denke u.a. an geografische
! Aktuellere Beispiele für Sezessionsbestrebungen finden sich bei Schottland und Katalonien.
? PETERS Vólkerrecht, S. 52.
3 PETERS Völkerrecht, S. 52; PETERS Gebietsreferendum, S. 345; LORENZMEIER, S. 61 und 73; THÜRER, S. 50;
SCHÓNING, 5. 28; vgl. ferner LIK LV-BUSSJAGER, Art. 4 LV, in welchem der (mögliche) Austritt von liechtenstei-
nischen Gemeinden als Sezession bezeichnet wird.
^ GOSEPATH/HINSCH/CELIKATES, S. 1166 ff.; GLASER, S. 464; LINDER/MULLER, S. 436; TIEFENTHAL, S. 68; ferner
SGK BV-RUCH, Art. 53 N 9.
5 GOSEPATH/ HINSCH/CELIKATES, S. 1166 ff.; weiterführend WILHELM, S. 41 f.
$ PETERS Gebietsreferendum, S. 336 und 345; GAMPER, S. 78; LORENZMEIER, S. 68.
"PETERS Vólkerrecht, S. 280; PETERS Gebietsreferendum, S. 335; WILHELM, S. 11 ff. Das Selbstbestimmungsrecht
ist in Art. 1 Abs. 2 der Charta der vereinten Nationen, in Art. 1 Abs. 1 des internationalen Paktes über wirtschaft-
liche, soziale und kulturelle Rechte und in Art. 1 Abs. 1 des internationalen Paktes über bürgerliche und politische
Rechte festgehalten.
3 BREITENMOSER, S. 95 ff. und S. 138; PETERS Gebietsreferendum, S. 343 ff. und S. 364; LINDER/MULLER, S. 436;
LORENZMEIER S. 74.
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