Volltext: Nachbar Ständestaat

1. Einleitung 
1.1 Hinführung 
„Als der Präsident der Lokalbank in Ragaz, die auch im Fürstentum Liechtenstein geschäftliche 
Beziehungen unterhält, haben unser Direktor und ich die Ueberzeugung gewonnen, dass 
gerade in letzter Zeit eine Bewegung einsetzt, welche den Anschluss an Oesterreich betreibt.! * 
Mit diesen Befürchtungen einer Abwendung Liechtensteins von der Schweiz und Hinwendung 
zu Osterreich richtete sich der Maienfelder Oberst und Prásident der Ragazer Bank Hans Luzius 
von Gugelberg im Márz 1934 an den schweizerischen Bundesrat. Gugelberg begründete seine 
Sorgen vornehmlich mit wirtschaftlichen Benachteiligungen Liechtensteins vonseiten der 
Schweiz, wobei er aber auch Beispiele für die Nähe des Fürstentums zu Osterreich anführt.? 
Denn das Fürstentum Liechtenstein war seit 1852 über eine Zollunion eng mit Österreich 
verbunden. Zwar orientierte Liechtenstein sich mit Ende des Ersten Weltkriegs und des 
Zusammenbruchs der Donaumonarchie aussenpolitisch neu in Richtung Schweiz, was sich 
unter anderem in der Aufkündigung des Zollabkommens mit Österreich 1919 und dem 
Abschluss des liechtensteinisch-schweizerischen Zollanschlussvertrags 1923 manifestierte.? 
Dennoch existierten weiterhin zahlreiche Verbindungen zum Nachbarn, vor allem in den 
Gemeinden des liechtensteinischen Unterlands.* Von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise 
blieben beide Staaten nicht verschont. So nutzte die ósterreichische Regierung unter dem 
christlichsozialen Bundeskanzler Engelbert Dollfuss im Kontext einer Phase wirtschaftlicher 
und innenpolitischer Krisen im Máàrz 1933 parlamentarische Gescháftsordnungsprobleme dazu 
aus, den Nationalrat auszuschalten. Dies war der Auftakt zur Neuordnung des politischen 
Systems in Osterreich,? welches in der Beseitigung der parlamentarischen Demokratie und der 
Errichtung eines autoritiren, stindisch gegliederten Staates? mündete./ In Liechtenstein 
formierte sich eine politische Bewegung in Form des Liechtensteiner Heimatdienstes, welche 
ebenfalls einen radikalen Umbau Liechtensteins in einen autoritáren Stándestaat propagierte.* 
  
! BAR E2001/E, 1969/262, 72, Gugelberg an EMD, 16.3.1934. 
? Ebd. 
? Geiger, Krisenzeit 1, S. 53 — 55. 
! Geiger, Krisenzeit 2, S. 18. 
3 Talos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, S. 5 — 6. 
© Es werden die verschiedensten Begriffe in der Forschungsliteratur für das österreichische Regime von 1933 bis 
1938 angeführt, über deren Verwendung immer noch debattiert wird. Der Verfasser verwendet für die vorliegende 
Arbeit primär den Begriff „Austrofaschismus“ respektive „austrofaschistischer ‚Ständestaat‘“. Dies liegt darin 
begründet, dass sich dieses Herrschaftssystem mit seinem Selbstverständnis, seinen Gestaltungsabsichten, 
Strukturen und der Steuerung gesellschaftlicher Bereiche in die Reihe der Ausprägungen von faschistischer 
Herrschaft einordnen lässt. Ebd., S. 585 - 586. 
7 Jagschitz, Der österreichische Ständestaat, S. 497 — 498. 
* Geiger, Krisenzeit 1, S. 378 — 379.
	        

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