dann „wollen wir die Vor- und Nachteile, die die Einführung des Ständestaates uns bringen
würde, näher untersuchen.^'"" Die Reaktion auf die neue Verfassung in Osterreich fiel
grundsätzlich positiv aus. Hierbei wurde wieder erläutert, dass dieser Schritt in Österreich
aufgrund der gegebenen Parteienverhältnisse, die den parlamentarischen Betrieb lähmten, nötig
war. Das Volksblatt konstatierte zur neuen Verfassung abschliessend: ,, Oesterreich hat seine
neue Verfassung, wir dürfen versichert sein, dass es mit dieser ebenso gut fährt, solange die
Führer tüchtige und ideal veranlagte Menschen sein werden, als bei der Konstellation der
Parteien mit der alten.“ !’® Jedoch folgte darauf die Erklärung, dass Liechtenstein als Kleinstaat
nicht Formen von „Grossstaaten“ einfach kopieren dürfe.!”” Dies veranschaulicht, welche
widersprüchliche Haltung die Bürgerpartei aufgrund des Wohlwollens gegenüber dem Austro-
faschismus und der gleichzeitigen Feindschaft zum Heimatdienst, der für den Ständestaat in
Liechtenstein eintrat, einnahm. Sie begrüsste die ständische Verfassung Österreichs, lehnte sie
aber für Liechtenstein ab. Dazu führte das Volksblatt mitunter die hiesigen Verhältnisse an,
dass es hier weder den liberalistischen Kapitalismus noch den marxistischen Klassenkampf
gäbe und aus diesem Grund die erstrebte Harmonisierung der beiden Extreme mittels einer
ständischen Ordnung, wie sie Ouadragesimo Anno propagiere, nicht nötig sei. !®°
Andererseits erläuterte der Leitartikel vom 21. März 1936 ausführlich, dass in Liechtenstein
viele berufsständische Ideen schon im Sinne der Enzyklika Quadragesimo Anno verwirklicht
worden seien. Das Volksblatt argumentierte, dass die Enzyklika vom Heimatdienst miss-
verstanden würde, denn der gesellschaftspolitische Umbau, den die Enzyklika fordere, sei nicht
von der Staatsform abhängig.'*! Entscheidend bei der Enzyklika sei ihr interessenversóhnender
Geist, wobei sich in Liechtenstein zeige, wie „aus dem praktischen Leben eines christlichen
Staates heraus“ sich berufsständische Gedanken realisierten, was sich beispielsweise an der
Bildung von Berufsverbänden wie auch in der Zusammenarbeit der Regierung mit denselben
niederschlage.'® Übrigens findet sich hier ein Kritikpunkt, mit dem sich auch der Austro-
faschismus konfrontiert sah. Denn das Regime instrumentalisierte zwar die Enzyklika für
dessen Staatsprogramm, doch aus theologischer Sicht galt, dass Quadragesimo Anno nur den
Neubau der Gesellschaft betraf und nicht im Gegensatz zur parlamentarischen Demokratie
stand.!*? Für die Auffassung, den berufsstándischen Gedanken unabhàngig von der Staatsform
17 NB, 17.3.1934, S. 1.
18 VB, 1.5.1934, S. I.
179 Ebd.
180 VB. 55 1934. S. 1 - 2.
131 VB. 21.3.1936, S. 1.
182 Ebd.
185 Kustatscher, „Berufsstand“ oder „Stand“, S. 98 — 99.
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