Zugehörigkeit Österreichs zur deutschen Nation,** jedoch würde der Österreicher durch seine
spezifische Rolle innerhalb des Deutschtums herausragen.*° Diese „österreichische Mission“
umfasste zum einen eine innerdeutsche Missionierung der als schlechter verstandenen national-
sozialistischen Deutschen durch die als kulturell höherstehend angesehenen, katholischen
Deutschen in Österreich. Zum anderen bestand die Mission der österreichischen Deutschen
darin, das Gesamtdeutschtum zu führen, um ein Grossreich zu errichten von „wenn schon nicht
[...] .abendlindischen‘, so zumindest [...] mitteleuropäischen ^ Dimensionen."
Zusammenfassend ist die austrofaschistische Ideologie weniger als ein geschlossenes System,
sondern vielmehr als ein Mix bestehend aus antiparlamentarischen, antimarxistischen,
gesellschaftsharmonisierenden wie auch den deutschen und katholischen Charakter Österreichs
betonenden Vorstellungen zu verstehen."
2.3 Herrschaftsausübung
Obwohl im Selbstverständnis des Austrofaschismus‘ die berufsständische Ordnung ein
zentrales Element darstellte, blieb deren praktische Umsetzung in Ansätzen stecken. Bereits in
der Maiverfassung wurden die Bestimmungen zu den Berufsständen nur vage und sporadisch
angeführt."* Sah die Verfassung sieben berufsständische Hauptgruppen vor, wurden faktisch
gerade einmal zwei dieser Berufsstände eingerichtet, während die anderen über eine
vorbereitende Zwischenstufe zur berufsständischen Organisierung in Form staatlich
kontrollierter Interessenorganisationen nicht hinauskamen. Die staatlich kontrollierte
Kooperation zwischen diesen Interessenorganisationen unterband jedoch die Austragung
gesellschaftlicher Konflikte, was dem propagierten Interessensausgleich zwischen Arbeit-
nehmern und Arbeitgebern entgegenstand.*’
Die politische Struktur ist vielmehr durch das Prinzip der autoritáren Herrschaft
gekennzeichnet. So wurde jegliche politische Partizipation der Bevólkerung zugunsten einer
hierarchisch bestimmten Entscheidungsfindung ausgeschaltet. Der ganze Gesetzgebungs-
prozess lag in der Hand der Regierung, innerhalb welcher der Bundeskanzler eine
Vorrangstellung einnahm.? Der Bundeskanzler selbst galt nicht nur als Führer der
Bundesregierung, sondern ihm unterlagen theoretisch nahezu alle endgültigen Personal- und
4 Staudinger, „Österreich“- Ideologie, S. 49.
^ Ebd., S. 48.
% Ebd.
7 Tâlos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, S. 555.
“8 Jagschitz, Der ôsterreichische Ständestaat, S. 501 — 502.
^? Manoschek / Tálos, Politische Struktur des Austrofaschismus, S. 158.
* Ebd.. S. 126 — 127.
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