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Überhaupt wurde sehr auf Solidarität geachtet, wie
das Beispiel des damaligen Gymnasiums im Haus
Gutenberg zeigt. Die Belieferung mit Brot übernahm
nämlich jeden Monat abwechslungsweise eine der
drei damaligen Dorfbäckereien. Nach der Schule fuhr
Wilma Köhler jeweils mit dem Fahrrad und Anhän
ger nach Mäls, um die Backwaren auszuliefern. Später
konnte dies mit dem Auto erledigt werden, ihr Vater
war nämlich der zweite Balzner, der ein Auto besass.
Während des Krieges musste das Auto der Heims je
doch eingestellt werden und durfte nur für Notfälle
benutzt werden. Dafür erhielt jeder Autobesitzer eine
bestimmte Menge an Benzin. Nicht nur Benzin wurde
für Notfälle gelagert, sondern die Geschäfte mussten
während der Kriegsjahre auch ein sogenanntes Pflicht
lager für den Fall einer Versorgungsknappheit halten.
Wilma Köhler und Maria Heim erinnern sich auch
noch gut daran, dass sie an den freien Mittwochnach
mittagen «Märkle» einkleben mussten, mit denen
die Kundinnen bei ihnen eingekauft haben. Obwohl
viele Balzner schon Geld hatten, mussten sie Marken
abgeben, um Lebensmittel zu beziehen, da von be
hördlicher Seite alles rationiert wurde. Dadurch, dass
Nahrungsmittel nur mit zugeteilten Bezugskarten er
hältlich waren, wurden Hamsterkäufe vermieden.
Maria Heim und Wilma Köhler heben nachdrücklich
hervor, dass sich das Land aber nicht nur zur Zeit des
Krieges, sondern auch danach, sehr gut um das Ge
werbe kümmerte. Natürlich gab es Vorschriften, aber
um das einheimische Gewerbe vor ausländischer Kon
kurrenz zu schützen, galt von 1937 bis 1969 ein Wa
renhausverbot. «Das war eine gute Einstellung. Man
bekam schliesslich alles, und es ging allen mehr oder
weniger gut.», Endet Wilma Köhler. Welche Konkur
renz ausländische Anbieter darstellen konnten, erleb
ten die damaligen Ladenbesitzer als das Migros-Auto
seinen Verkauf auf der Rheinbrücke zwischen Balzers
und Trübbach gestartet hat.
Im Dorf konnte man alles kaufen
«Obwohl es nur kleine Läden gab, konnte man in Bal
zers alles besorgen, was man für den Alltag brauch
te», erzählt Marile Vogt. Es gab verschiedene Lebens
mittelläden, aber auch Schuh- und Kleidergeschäfte
ebenso wie Eisenwarenhandlungen, Metzgereien und
Geschäfte mit Haushaltartikeln. Glühbirnen beispiels
weise konnten jedoch nur bei «Biara-Mena» Büchel
gekauft werden. Sie hatte in ihrem Privathaus ein Sor
timent, wobei sie jede Glühbirne vor dem Verkauf ein
drehte, um zu kontrollieren, ob sie auch funktioniert.
Spielsachen gab es allerdings - ausser vor Weihnachten
- im ganzen Dorf keine. Maria Heim und Wilma Köh
ler erinnern sich daran, wie die Balzner Kinder in der
Adventszeit jeden Tag die Spielsachen in den Schau
fenstern der verschiedenen Läden bestaunten.
Marile Vogt berichtet, dass es bei ihr im Konsum fast
alle Lebensmittel zu kaufen gab. Auch Wein, Schnaps
und sonst ein paar Spirituosen hat sie geführt, Bier al
lerdings nicht, «da sie sonst noch mehr hätte schleppen
müssen», wie sie einwendet. In der Bäckerei Heim fand
man neben Broten aus verschiedenen Mehlen auch
Fladen, Nussgipfel und Lebkuchen. «Zopf und <Melch-
brötle> gab es allerdings nur samstags und auch <Bürle>
durfte man nur zum Schulausflug mitnehmen», erklärt
Wilma Köhler. Im Herbst konnten Bauern ausserdem
in angeschriebenen Kübeln ihre eigenen gedörrten und
«gerüsteten» Birnen bringen und sich daraus Birnen
brot machen lassen. Für jeden Auftraggeber wurde
dann ein separates Muster ins Brot eingezeichnet, so
dass am Schluss jeder dasjenige Birnenbrot mit sei
nen eigenen Birnen mit nach Hause nehmen konnte.
Im Lager der Schuhhandlung Hasler fand man neben
Männer-, Frauen- und Kinderschuhen auch Hausschu
he, handgenähte Skischuhe oder Schuhe für Jäger.
Zudem fertigte Robert Hasler massgeschneiderte
Schuhe für Gehbehinderte an.
Meistens führten die Lebensmittelgeschäfte zur Um
satzsteigerung auch Kleider oder andere Produkte.
Marile Vogt beispielsweise hatte neben den Lebens
mitteln noch Schulsachen, aber auch Pullover, Unter
wäsche, Strumpfhosen und Leintücher im Angebot.
In der Bäckerei Heim wiederum konnten, abgesehen
von Brot und Backwaren, weitere Lebensmittel, aber
auch Waschmittel sowie Ansichtskarten oder einige
Mittelchen aus der Apotheke wie zum Beispiel Sari-
don besorgt werden. Und auch in der Schuhhandlung
Hasler gab es neben Schuhen auch Schuhpflegemittel
im Sortiment.
Generell war das Angebot abhängig davon, was die
Schweizer Grosslieferanten Usego und Volg gebracht
haben - «es gab einfach, was es gab», resümiert Wilma
Köhler. Manchmal konnten die Läden neben lokalen
Produkten Orangen oder Bananen anbieten oder der
Vertreter hatte etwas Spezielles wie einen Christ-