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belegt 1336-tl364), beide Schwestern Erbtöchter
Donats des letzten Freiherrn von Vaz. Dass Donat von
Toggenburg von Johann I. von Werdenberg-Sargans in
unserer Urkunde als oheim bezeichnet wird, darf indes
nicht verwirren, denn damit kann auch überhaupt eine
[Blutsverwandtschaft bezeichnet werden.
Der Konflikt wurde, so ist man versucht zu sagen,
gleichsam am Familientisch verhandelt, jedenfalls
kannte man sich und über die gegenseitigen Interessen
war man wohl bestens orientiert. Und wie der Verlauf
des Prozesses vermuten lässt, ist die Annahme zumin
dest nicht völlig auszuschliessen, dass im Vorfeld der
Gerichtsverhandlung zwischen den Parteienvertretern
informelle Gespräche oder sogar handfeste Abmachun
gen stattgefunden haben könnten.
Zunächst jedoch wurden die Parteien vom Gerichtsvor
sitzenden Johann I. von Werdenberg-Sargans aufgefor
dert, dem Gericht die miturteilenden Schiedsleute zu
benennen, also dass jedwederer theil zween ehrbare mann
zu schiedleuten zu mir sezen sollen, um die kundtschaften
von derselben waid und gemeind wegen zu verhören. Da-
hero hat mein vetter graf Heinrich und seine hüte zu schied
leuten zu mir gesezt Heinrich Stöklin und Hainzen Blatter,
meines vettern graf Rudolphen von Montfort ammann im
Walgöu, mein oheim aber graf Donat von Toggenlmrg und
seine hüte haben zu schiedleuten zu mir gesezt Hartwigen
von Mayenfeld und Hannsen Werth, den alten richter zu
Raggaz. Mit fleinrich [flainz) Stöckli, aus einer der
führenden Feldkircher Familien stammend, und flainz
Blatter, Ammann von Rudolf V, des letzten Grafen von
Montfort-Feldkirch im Walgau, eines Bruders seiner
Mutter Agnes, hatte fleinrich V. von Werdenberg-Sar
gans zu Vaduz zwei einflussreiche Vertreter für die
Sache seiner Balzner Untertanen zum Schiedsgericht
bestellt. Auf der anderen Seite vertraten flartwig von
Maienfeld, wohl ein angesehener Stadtbürger, und Plans
Wert oder Verne, wie er in der Urkunde auch genannt
wird, ein ehemaliger Richter zu Ragaz, die Interessen
Donats von Toggenburg und seiner Fläscher und Mai
enfelder Untertanen.
Diesem Fünfergremium oblag es nun, die von den Par
teien aufgebotenen Zeugen zu verhören, ihre unter Eid
abgelegten Aussagen auf ihre Stimmigkeit zu über
prüfen und sich aufgrund der vernommenen kundt
schaften auf ein Urteil festzulegen. Also dass ich und
die vier schiedhute die geschwome kundtschaften darüber
verhören sollen, und wenn wir dieselben kundtschaften
verhört haben werden, wehhe kundtschaft uns dann die
bessere und gerechtere dunkt, darum sollen wir uns beken
nen und aussprechen. Ein einstimmiges Urteil war weder
gefordert noch in der Regel zu erwarten, denn von den
von den Konfliktparteien gestellten Schiedsrichtern war
anzunehmen, dass sie wohl gemäss Instruktion ihrer
Parteienvertreter im Sinne und zum Vorteil ihrer Kli
entel urteilten.
Umso wichtiger und bedeutender war daher die Stel
lung des Gerichtsvorsitzenden, ihn galt es zu überzeu
gen, denn sein Stichentscheid führte letztlich zum gül
tigen Urteil. Und was wir oder der mehrere theil unter uns
darüber erkennet oder ausspricht, dabey soll es als dann
von da an bleiben ohne alh ein- und wiederred. Konn
te man also von den vier zugesetzten Schiedsrichtern
kaum erwarten, dass sie den ihnen vorgelegten Rechts
streit unvoreingenommen beurteilten, so ist auch mit
Bezug auf die geschilderten Verwandtschaftsverhält-
nisse des Gerichtsvorsitzenden nur schwer vorstellbar,
dass vorhandene Foyalitäten keinen Einfluss auf des
sen letztgültige Entscheidung gehabt haben könnten.
Johann I. von Werdenberg-Sargans und seine vier Ge
richtsbeisitzer begannen zuerst mit der Einvernahme
der Balzner Zeugen - auf mögliche Gründe für die
doch erstaunliche Anzahl von 16 zum Gericht aufge
botenen Dorfgenossen wurde bereits hingewiesen -, von
denen ein jeder besonders geschworen hat einen körperli
chen eyd zu gott und allen heilligen mit aufgehobenen hän-
den, dass sie kundtlich und wahrhaft wissen, wo genau
der Markstein zwischen Balzers und Fläsch/Maienfeld
liege, von dem aus die Grenze nach beiden Seiten in
bestimmte Örtlichkeiten gezogen werden müsse, um
das von den beiden Parteien beanspruchte Weidegebiet
abzugrenzen. Dieser Stein, so die Zeugen anscheinend
übereinstimmend, stehe an der St. Fuzisteig in der wies
genannt Bratasema und in Rhain, also an einem Abhang
dieser Wiese, und die Grenze solle gehen von demselben
stein zur einen seiten Mutzen oder aufwerts in die Rothe
Rüffe und zu der andern seiten gleich von demselben stein
hinauf auf den bergzu oberst genannt Spitzagud, und dass
derselb berg und die Rothe Rüffe und der marktstein in der
wies gegen einander zeigen.
An diesem Grenzverlauf gab es für die Balzner nichts
zu rütteln, sie wussten ganz genau, wo dieser den
Grenzverlauf entscheidende Markstein seinerzeit ge-
Seite 73: Blatt 2r der überlieferten Urkundenabschrift mit auf
gedrücktem Papiersiegel der fürstlich-liechtensteinischen Land
schreiberei.