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Arthur Brunhart
Die Gemeindeautonomie. Realität? Illusion? Heilige Kuh?
Gemeindeautonomie, Selbstverwaltung, Selbstbestim
mungsrecht, ja sogar Gemeindefusionen kommen in
Liechtenstein sporadisch ins Gespräch. Die Gemeinde
autonomie stehe angesichts grosser Herausforderungen
unter Druck, die Handlungsfähigkeit der Gemeinden
sei von zunehmender Regelungsdichte, Kompetenz
verschiebungen von den Gemeinden an den Staat, der
Allmacht von Regierung und Landesverwaltung sowie
einem «wuchernden Expertentum» eingeschränkt.
Mit dieser Erfahrung ist Liechtenstein nicht allein. In
der Schweiz trug 2012 ein Zeitungsartikel die Über
schrift: «Die Ermordung der Gemeindeautonomie».
2009 fassten die Schweizer Gemeinden eine Resolution
gegen die zunehmende Einschränkung ihrer Autono
mie, 2014 brachte der Schaffhauser Ständerat Thomas
Minder, in dessen Kanton man schon überlege, «einen
unitaristischen Einheitskanton ohne Gemeinden zu
installieren», im Parlament eine Motion ein, um die
Teilhabe an der lokalen Demokratie zu erweitern und
«dieses urschweizerische Prinzip auch für die Zukunft
nachhaltig zu sichern».
Seite 6: Anlässlich der 15O-Jahr-Feier der liechtensteinischen
Souveränität verlieh Fürst Franz Josef II. der Gemeinde Fal
zers das Recht, ein Gemeindewappen zu führen: «Im blauen
Feld aufrecht einen goldenen Greif. Mit roter Zunge und rot
bewehrt». Gleichzeitig erhielt sie eine Flagge, ein goldenes Band
auf blauem Grund. Das Bahner Hoheitszeichen lehnt sich an
das Wappen des um 1300 auf Gutenberg ansässigen Heinrich
von Frauenberg an.
Grund genug, einen Blick auf die Gemeinde
autonomie in Liechtenstein zu werfen. Es würde sich
lohnen, dem Thema mit Sicht auf ihre Relevanz seit
der Totalrevision des Gemeindegesetzes 1996 und die
heute gelebte Realität vertieft nachzugehen.
Gemeinden in Verfassung und Gesetz
Die Gemeinden haben im Fürstentum Liechtenstein,
das sich vor 30 Jahren auch der Europäischen Charta
der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtete, eine
starke Stellung. Das kommt in mehreren Artikeln der
Landesverfassung (TV) zum Ausdruck.
Staat mit elf Gemeinden?
Gemäss Artikel 1 ist das Fürstentum Liechtenstein
«ein Staatsverband von zwei Landschaften mit elf
Gemeinden» und soll «den innerhalb seiner Grenzen
lebenden Menschen dazu dienen, in Freiheit und
Frieden miteinander leben zu können».
Artikel 4 gesteht den Gemeinden aber die Mög
lichkeit zu, aus dem Staatsverband auszutreten, ein
Recht, das 2003 gegen starke Kritik eingeführt wurde
und nach Ansicht der Rechtsgelehrten zahlreiche
Fragen verfassungsrechtlicher, formaler, juristischer
und prozeduraler Natur aufwirft. 1
Das Austrittsrecht beruht auf dem Gedanken der
Selbstbestimmung, 2 dem Recht des Einzelnen oder
von Gruppen, die eigenen Angelegenheiten frei und
auf eigene Verantwortung zu gestalten. Das Austritts-