Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2017) (2017)

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und Reptilienarten in Balzers zurück an den Alpenrhein. 
Erdkröten und Grasfrösche werden sie zur Laichzeit 
aufsuchen. Kleine, flache und periodisch austrocknende 
Tümpel ziehen die seltenen Gelbbauchunken an, und 
Ringelnattern finden im dynamischen Auwald wieder 
ausreichend Verstecke und Nahrung. Im Altarm mit 
seinen Totholzstrukturen finden strömungsindifferen 
te Arten und Jungfische Lebensraum und Schutz. Das 
von den Kraftwerksbetrieben stammende Sunk- und 
Schwallregime wird durch die Aufweitung abgemil 
dert, wodurch Wasserinsekten und Weichtiere sich 
wieder besser vermehren können. Dadurch finden 
fische, Vögel, fledermäuse, Spitzmäuse und Amphi 
bien wieder mehr Nahrung. Die neuen Lebensräume 
auf der Balzner Seite des Rheins verbessern im Zu 
sammenhang mit der niveaugleichen Anbindung der 
Saar die Bedingungen für die selten gewordenen strö 
mungsliebenden fischarten wie Seeforelle, Bachforel 
le, Nase, Äsche oder Stromer. Es erschliesst sich ihnen 
ein ganzes Gewässernetz mit zahlreichen Laichmög- 
lichkeiten. Im dynamischen Uferbereich mit seinen 
sanften, flachen Übergängen zum Gewässer, die sich 
mit kurzen und steileren Uferabbrüchen abwechseln, 
begegnen sich zwei Ökosysteme in einem artenrei 
chen Saumbiotop. Auf Kiesinseln und im flussnahen 
und von vielen freien Kies- und Sandflächen ge 
prägten Auenwaldbereich mit Pionierpflanzen und 
Weichhölzern wie Tamarisken, Weiden und Pappeln 
finden Llussregenpfeifer Brutplätze. Wildbienen nut 
zen die Sandflächen ebenfalls als Brutplatz und be 
suchen im Frühjahr als erste die Weidenblüten. Über 
dem Altarm nimmt der Eisvogel Ansitz für seine Jagd 
auf kleine fische. In der lichten Hartholzaue mit 
ihren Erlen, Birken und Eschen stellt sich wieder eine 
reiche Fauna und Flora ein. Fledermäuse jagen nachts 
über die Wasserflächen und entlang der Gehölze. Der 
Buntspecht findet gute flöhlenbäume und genügend 
Insekten, um seine Jungen grosszuziehen und auch 
der Pirol ist wieder häufiger im Auwald zu hören. 
Die Wirkung, die eine Aufweitung des Flussraums auf 
die Ökologie entfalten kann, steht in Relation zu ihren 
Dimensionen und den davon abhängigen Gestaltungs 
möglichkeiten des Flusses. Wir werden die damalige 
Wildnis und die volle Gestaltungskraft des Rheins 
nicht zurückholen, können aber die Bedingungen für 
viele Tier- und Pflanzenarten verbessern. 
Abb. 7: Die Saar mit ihrem geometrischen Profil, den hohen 
Dämmen sowie dem Verlauf mitten durch den «Restraum» zwi 
schen Autobahn und Rhein dominiert eine grosse Fläche nördlich 
der Strassenbrücke Balzers-Trübbach. Mit einer bewussten 
Neuorganisation dieser Raumkammer würde sich an dieser 
Stelle der Blick in eine grosszügige Flusslandschaft öffnen. 
In langen Zeiträumen denken - Dynamik 
akzeptieren 
Projekte wie die Aufweitung des Rheins verlangen, 
dass in langen Zeiträumen gedacht wird. Dies gilt für 
die Dauer der Realisierung, aber noch stärker für den 
Umgang mit den Rahmenbedingungen. Wir sollten 
deshalb mit einer Grundhaltung an ein solches Projekt 
herangehen, welche die Verhältnisse und Vorausset 
zungen berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Umset 
zung herrschen könnten. Heute vermeintliche Hür 
den bestehen möglicherweise gar nicht mehr, wenn es 
dann zur Realisierung kommt. Wir können also getrost 
heute unumstösslich erscheinende Rahmenbedingun 
gen etwas relativieren. Auch gebaute Anlagen müssen 
gelegentlich erneuert oder ersetzt werden. Bestehen 
de Infrastrukturen, etwa die Brücken, brauchen eine 
Sanierung. Anlagen, die heute scheinbar zwingend in 
der Nähe des Flusses liegen, braucht es in 20 Jahren 
vielleicht gar nicht mehr. Und für den Betrieb mancher 
Anlagen genügt ein Schutz vor dem 50-jährigen Hoch 
wasser. Geht man mit einer solchen Grundhaltung an 
ein solches Projekt heran, eröffnen sich gedanklich und 
real Handlungsspielräume, die sich nicht einstellen, 
wenn wir die heutige Situation einfach 20 Jahre in die 
Zukunft verlängern.
	        

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