Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2016) (2016)

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René Güttinger und Silvio Hoch 
Vom alten Pfarrhaus zum Kulturhaus «Alter Pfarrhof» 
Erfolgreiche Schutzmassnahmen für die gefährdete Breitflügel 
fledermaus 
Besondere Entdeckung 
Balzers im Juli 2007, in der Abenddämmerung. Im 
Dachstock des alten Pfarrhauses herrscht schummri- 
ges Licht. Ein tiefschwarzes Gesicht mit ebensolchen 
Ohren, umsäumt von einem oben dunkelbraunen und 
unten helleren Haarkranz, schaut uns vom Dachge 
bälk entgegen. Endlich können wir die Verursacher 
der vielen Kotstellen auf dem Estrichboden gleich 
sam von Angesicht zu Angesicht betrachten. Nun ist 
auch der letzte Zweifel ausgeräumt: Im Dachstock des 
alten Pfarrhauses lebt eine seltene Kolonie der Breit- 
flügelfledermaus [Eptesicus serotinus]. Es ist die zweite 
Wochenstube dieser Art in Liechtenstein. 
René Güttinger, Fledermausforscher und Naturfoto 
graf, schraubt sein brennweitenstärkstes Objektiv auf 
die Kamera und blitzt in den First des Dachstocks, 
wo zwischen Ziegeln und Dachlatten immer wieder 
schwarze Gesichter auftauchen. Viele Besuche im 
Dachstock waren dieser ersten Aug-in-Aug-Begegnung 
vorausgegangen, seit der damalige Gemeindevorsteher 
Anton Eberle den Liechtensteiner Fledermausschützer 
Silvio Hoch auf die grosse Menge von Fledermauskot 
aufmerksam gemacht hatte. Bereits eine frühere Kon 
trolle im Dachstock ergab den Verdacht auf ein be 
sonderes Fledermausquartier: Grosse Kotpellets und 
eine stattliche Menge von Fledermauskot, der sich un 
terhalb des Firstes konzentriert über die ganze Länge 
des Dachstocks verteilte, liess auf eine grosswüchsige 
Fledermausart schliessen. Aber wo waren die Tiere? 
Für Grosse Mausohren sowie Grosse Hufeisennasen, 
beide Arten in Balzers schon nachgewiesen, erschien 
der Dachstock als Quartier geeignet. Diese Fleder 
mausarten wären an warmen Sommertagen jedoch 
frei im Dachgebälk hängend und somit unübersehbar 
gewesen. Die Vermutung, dass es sich um Breitflü- 
gelfledermäuse handeln könnte, lag deshalb buchstäb 
lich im Raum. Denn diese Art versteckt sich tagsüber 
gerne im Zwischendach und verbringt dort den Tag in 
Lethargie, einem Zustand mit abgesenkter Körpertem 
peratur und gedrosseltem Stoffwechsel. Erst kurz vor 
dem abendlichen Ausflug kriechen die Tiere aus ihren 
Verstecken hervor, heizen ihre Körpertemperatur auf 
die zum Fliegen erforderliche Betriebstemperatur und 
ziehen im Dachstock auch schon mal eine Proberunde. 
Die Freude über die erstaunliche Entdeckung mischt 
sich jedoch rasch mit der Sorge um die Zukunft der 
Kolonie. Denn Grund für die Dachstockkontrolle ist 
nicht allein die blosse Neugier, sondern ebenso die 
kürzlich erhaltene Mitteilung, dass das alte Pfarrhaus 
in den kommenden Jahren umfassend saniert und einer 
neuen Nutzung zugeführt werden soll. Mit dem vorlie 
genden Artikel wollen wir aufzeigen, welche Gründe 
aus Sicht des Naturschutzes dem Entscheid zugrun 
de lagen, das besondere Fledermausquartier im alten 
Pfarrhaus mit allen Mitteln zu erhalten. Wir möchten 
darstellen, aus welchen biologischen Überlegungen 
Seite 30: Die Breitflügelfledermaus ist kontrastreich gefärbt und 
äusserst attraktiv.
	        

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