Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2016) (2016)

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Vereidigung von Vermittler Georg Vogt [Dritter von links) 
und Vermittler-Stellvertreter Peter Frick [Vierter von links) im 
Gerichtssaal in Vaduz durch Regierungschef Plans Brunhart 
[Zweiter von links) und Landgerichtsvorstand Dr. Arnold 
Oehry [links], April 1983. 
öffentlichen Verkehr, spielt die Dauer der Anreise 
zum Landgericht in Vaduz keine Rolle mehr. Dazu 
mal zeichnete sich ein anderes Bild ab, wie Wilhelm 
Ungerank [Richter am Fürstlichen Obergericht] in 
seinem «Abgesang auf das Gesetz über die Vermitt 
lerämter» anschaulich darlegt: 
«Bei einer Wegstunde zu Fuss [ca. 4,8 km/h) oder mit 
einem Pferdefuhrwerk [ca. 10 km/h] wurden für einen 
Fussmarsch von Balzers nach Vaduz ca. 2 Vz Stunden 
[...] benötigt, mit einem Pferdefuhrwerk [falls ein solches 
für den einfachen Rechtssuchenden überhaupt zur Ver 
fügung stand] war immer noch mit einem Aufwand von 
ca. 1 Stunde [von Balzers] [...] zu rechnen. Damit war 
es für die rechtssuchende Bevölkerung schon aus diesem 
Grund einfacher und kostensparender, die Lösung von 
Rechtsstreitigkeiten vor dem Vermittler zu suchen.» 6 
In der Landtagssitzung vom Dezember 1911 wurde 
dann entschieden, die Behandlung der Frage der Ein 
führung von Vermittlerämtern einer siebenköpfigen 
Landtagskommission zu übertragen. Man erwartete, 
wie Landtagspräsident Albert Schädler ausführte, 
einen «wichtigen Fortschritt», welcher «der liechten 
steinischen Bevölkerung viele Prozesse, viele Kos 
ten und auch wohl manchen Unfrieden ersparen» 
und «ein rasch wirkendes, billigeres und darum auch 
Schwachbemittelten erreichbares Rechtmittel» bie 
ten würde. 7 Die Landtagskommission einigte sich auf 
einige Grundzüge eines entsprechenden Gesetzesent 
wurfs und präsentierte die Ergebnisse ihrer Arbeit in 
der Landtags Sitzung vom Dezember 1912. 8 Der um 
fangreiche, fundierte Kommissionsbericht wurde von 
Wilhelm Beck, welcher der vorberatenden Landtags 
kommission vorgestanden hatte, verfasst. Und so trug 
auch das am 12. Dezember 1915 im Landtag verab 
schiedete Gesetz über die Vermittlerämter, das fast 
eins zu eins vom Kommissionsentwurf übernommen 
wurde, seine Handschrift. 9 
Aufgaben eines Vermittlers 
Laut Kommissionsbericht von 1915 sollte ein Ver 
mittler zwischen zwei Streitparteien, wie der Name 
sagt, vermitteln. Er sollte «die erregten Gemüter 
durch seine angemessenen Ermahnungen und Vor 
schläge zu einigen suchen [idealer Zweck] und zu 
gleich die Parteien von unnützer Zeit- und Geldver 
schwendung abhalten [materieller Zweck].» 10 Ein 
juristischer Hintergrund sei dafür nicht notwendig. 
Um einen gütlichen Ausgleich zu erreichen, sei näm 
lich viel wichtiger, dass der Vermittler «ein allgemein 
geachteter Mann[,] nicht voreingenommen und ver 
nünftig» sei. 11 Je kleiner das Einzugsgebiet des jeweili 
gen Vermittleramts sei, desto eher seien diese Voraus 
setzungen gegeben. 12 Deshalb wurde in Liechtenstein 
mit dem Gesetz vom 12. Dezember 1915 über die 
Vermittlerämter [VAG] 13 in allen Gemeinden je ein 
Vermittleramt eingeführt [§ 1]. 
Gemäss Paragraph 8 des VAG hatte «eine Vermitt 
lungsverhandlung [...] in allen bürgerlichen Rechts 
streitigkeiten [Klagen und Widerklagen] sowie als 
Sühneverhandlung in allen Ehrenbeleidigungssachen 
[...] stattzuhnden» und einem gerichtlichen Verfah 
ren obligatorisch voranzugehen. 
Demzufolge musste zum Beispiel Alois Vogt, der 
im Jahr 1917 von Johann Niederegger zwei angeb 
lich trächtige Schafe - was dann doch nicht der Fall 
war - kaufte, um eine Vermittlungsverhandlung an- 
suchen, um sein Recht einzufordern. Dort verlangte 
er, wie der damalige Balzner Vermittler Georg Vogt 
am 29. Dezember 1917 protokollierte, «dass der Be 
klagte die Schafe um den vereinbarten Kaufpreis von 
690 Kr. nebst einem Futtergeld von einer Krone per 
Tag zurück nehme [siel] u. die Vermittlungskosten zu 
bezahlen habe». Der Beklagte war mit der Forderung 
einverstanden und die Streitsache somit erfolgreich 
vermittelt. 14
	        

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