Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2016) (2016)

10 
Paare, die nach Rom wanderten, um dort zu heiraten, 
gab es auch aus Liechtenstein. Ein Beispiel sei hier 
erwähnt. Kreszentia Knobel und Josef Bauer aus Trie- 
senberg zogen 1852 nach Rom, um sich dort kirchlich 
trauen zu lassen. Josef Bauer arbeitete als Schleifer, 
Kreszentia Knobel war als Besenbinderin tätig. 22 
Der Vater von Kreszentia, Josef Anton Knobel, arbei 
tete als Kesselflicker. Er war bereits 1827 mit Frau und 
drei Kindern von Graubünden kommend nach Balzers 
eingereist. Da man «denen Gemeinden dieses Landes 
derlei Vermögensloose Vagabunden nicht zur Last fal 
len lassen kann», verfügte das Oberamt die Rückschie 
bung dieser Familie nach Graubünden. 23 Die Familie 
Knobel wurde jedoch wieder nach Liechtenstein zu 
rück gebracht, mit der Begründung, diese Menschen 
hätten sich in den letzten Jahren zumeist in Vorarlberg 
und Liechtenstein aufgehalten. 24 Da die Familie Kno 
bel schon einmal für einige Jahre als Hintersassen in 
Triesenberg geduldet worden war, zog sie wieder dort 
hin. Wohl mit Erlass des Gemeindegesetzes von 1842 
erhielt die Familie Knobel definitiv das Heimatrecht in 
Triesenberg. Mehr zu diesem Gemeindegesetz folgt an 
späterer Stelle. 25 
Als Kreszentia Knobel und Josef Bauer im November 
1853 nach Liechtenstein zurückkehrten, hatten sie 
im Gepäck eine Heiratsurkunde aus Rom. Sie legten 
das lateinisch geschriebene Dokument sogleich nichts 
ahnend dem Triesenberger Pfarrer vor. Dies führte 
1854 zur Anklage «wegen schwerer Polizeiübertretung 
gegen die öffentliche Sittlichkeit durch Eheschliessung 
im Auslande ohne Bewilligung der zuständigen Behör 
de». 26 Da das Paar sonst einen guten Leumund hatte, 
fielen die Urteile eher mild aus: dreieinhalb Monate 
Arrest für Josef Bauer, drei Monate Arrest für Kres 
zentia Knobel. 27 Der Vater von Kreszentia, Josef Anton 
Knobel, war übrigens im Vorjahr 1853 im Alter von 66 
Jahren verstorben. 
Weshalb nahm ein Paar eine so lange Reise bis Rom 
auf sich, um nach der Rückkehr doch gerichtlich ver 
folgt zu werden? Der Vorarlberger Historiker Wolf 
gang Scheffknecht schreibt dazu: «Das Bemühen um 
den kirchlichen Segen muss nicht in erster Linie religi 
ös motiviert gewesen sein. Wurde ein vagierendes Paar 
von einer Landstreife aufgegriffen, so war es in jedem 
Fall von grossem Vorteil, wenn dieses einen Trauschein 
vorweisen konnte. So blieb diesen Menschen zumin 
dest der Verdacht der Hurerei erspart.» 28 Zahlreiche 
Quellen belegen es: Besonders ledige nicht-sesshaf 
te Frauen wurden diffamiert und mit Prostituierten 
gleichgesetzt. 29 Wenn eine Frau den Behörden gegen 
über eine stabile Beziehung vorweisen konnte, so war 
dies sicher positiv. 30 Ledige Mütter und ihre Kinder 
waren ebenfalls sozial ausgegrenzt, wie das nachfol 
gende Beispiel zeigt. 
Katharina, Theresia und Elisabeth Dürr mit 
ihren unehelichen Kindern 
Die Familie Dürr war eine Hintersassen-Familie, die 
seit dem späteren 18. Jahrhundert in Balzers lebte. Die 
Eltern der Schwestern Katharina, Theresia und Elisa 
beth Dürr waren beide im Jahr 1814 verstorben. Die 
im 15. Lebensjahr stehende Elisabeth Dürr war in den 
Jahren 1818 und 1819 zeitweise als Dienstmagd in 
Schwaben; 31 Katharina Dürr arbeitete um 1819/1820 
als Dienstmagd in Zizers. 32 Auf sich allein gestellt, 
bewirtschafteten die drei Schwestern zusammen das 
Elternhaus in Balzers. Im Jahr 1826 berichtete der 
Balzner Pfarrer Josef Anton Theuille dem Landvogt in 
Vaduz über gravierende Missstände in diesem Haus. 
Der Pfarrer sprach gar von einer «förmlichen Huren 
wohnung». 33 
In einem späteren Schreiben hielt Pfarrer Theuille 
fest, dass die beim Schulhaus liegende Wohnung der 
drei Frauen in ein öffentliches «Schandhaus beson 
ders für geile ausländische Protestanten ausgearthet 
sey». 34 Selbst die Schulkinder bekämen «unheilige An 
muthungen». 35 Katharina und Theresia Dürr würden 
zudem in Graubünden «durch Befriedigung ihrer Lei 
denschaften» Geld verdienen. 36 - Die diffamierenden 
Seite 11: Hochzeitsurkunde aus Rom für Kreszentia Knobel und 
Josef Bauer, 1852. Nicht-sesshafte Paare reisten bis nach Rom, 
um dort den kirchlichen Segen für ihre Verbindung zu erhalten. 
Behörden in Staat und Gemeinde hatten ihnen zuvor eine Ehe 
bewilligung verweigert. Für die Frau war ein solches Dokument 
wichtig, wurden doch insbesondere ledige Frauen mit Kindern 
oftmals Prostituierten gleichgesetzt. So konnte die Frau zeigen, 
dass sie in geordneten Verhältnissen lebte. Doch waren nur Kin 
der aus legalen ehelichen (oder nachträglich legitimierten) Ver 
hältnissen nutzungs- und erbberechtigt in ihrer Gemeinde. 1864 
wurde in Fiechtenstein durchgesetzt, dass uneheliche Kinder das 
Bürgeirecht der Mutter erhielten.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.