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Die Spinnen von Balzers
Weibliche
Tapezierspinne
(Atypus affinis).
Die Spinnen, die in Balzers Vorkommen, un
terscheiden sich natürlich nicht von jenen
an anderen Orten. Sie weben dieselben
Netze, sie sind weder grösser noch klei
ner, noch schauen sie schöner aus als ihre
Nachbarn. Doch dank intensiverer Sam
meltätigkeit in den letzten Jahren wissen
wir über die Spinnen von Balzers etwas
mehr als über jene in den anderen Liech
tensteiner Gemeinden. Einige seltene Arten
sind einer näheren Betrachtung wert. An
hand ihrer Bedürfnisse und Lebensweisen
wird aufgezeigt, welche wichtigen Land
lebensräume in Balzers noch anzutreffen
sind und längerfristigen Schutz benötigen.
Waldränder
Waldränder sind speziell artenreiche Lebens
räume. Dort kommen Arten aus den angren
zenden Wäldern und dem Offenland gemein
sam vor. Solche Übergangszonen zeichnen
sich durch eine hohe Dynamik aus. Im Ver
lauf von 24 Stunden ändern sich die Tem
peraturen und die Feuchtigkeitsverhältnisse
stärker als im Wald, aber weniger als im Of
fenland. Waldränder und Übergangszonen
mit einzelnen Bäumen sind deshalb sehr
wichtig für den Erhalt einer möglichst gros
sen Altenvielfalt.
Der Waldrand oberhalb der Balzner Allmein
ist eines dieser artenreichen Gebiete. Hier
gibt es eine ganz sonderbare Spinnenart,
nämlich eine sehr seltene Verwandte der
Vogelspinnen: die Tapezierspinne. Sie ist
schon seit rund 150 Millionen Jahren auf
der Erde. Von drei mitteleuropäischen Ar
ten konnte in Balzers bisher Atypus affinis
nachgewiesen werden. Diese 2 cm grosse
Spinne gräbt etwa 30 cm tiefe, daumendicke
Löcher in den Boden und kleidet diese mit
ihrer Seide aus. An der Oberfläche ist nur
ein etwa 10 cm langes Stück sichtbar, in
welchem sie sich zur Jagd aufhält. Mit ihren
langen Fangklauen greift sie sich Insekten,
die über den Schlauch laufen und zieht sie
anschliessend in die Röhre im Boden.
Die Seide von Spinnen ist antibakteriell und
kann von Mikroorganismen nicht zersetzt
werden. Deshalb verfaulen Spinnennetze
nicht und man findet sie noch Jahrzehnte
oder gar Jahrhunderte an dem Ort, wo sie
gewoben wurden. Die antibakterielle Wir
kung der Spinnenseide war schon unseren
Vorfahren bekannt. Die Röhren von Tape
zierspinnen wurden nachweislich ausgegra
ben, gesäubert und anschliessend auf offene
Wunden gelegt, um diese vor Infektionen zu
schützen und die Heilung anzuregen.
Tapezierspinnen bevorzugen offene Wälder
oder Waldränder. Am liebsten sind ihnen
Kiefern mit trockenen Grasbeständen. Fin
den sie einmal einen geeigneten Ort, grün
den sie grössere Kolonien. Weibliche Ta
pezierspinnen leben viel länger als andere
Spinnen. Sie können bis zu sieben Lenze
zählen, während die Männchen wie die
meisten Spinnenarten in Europa nur ein bis
zwei Jahre alt werden.
Rheindamm
Der Rheindamm ist die grösste zusammen
hängende Magerwiese Liechtensteins; ein
beachtlicher Teil liegt auf Balzner Gebiet.
Die hohe Artenvielfalt ist hier kaum zu
übersehen. Doch auch diese ist gefährdet,
denn eine Verbuschung durch Feldgehölze
wie Weiden würde Arten vertreiben, die
nur hier Vorkommen, weil sie offene, nähr
stoffarme Lebensräume bevorzugen. Ohne
Pflegemassnahmen würden die Magerwiesen
längerfristig Zuwachsen.
Diese Gefahr geht auch von zwei invasiven
Pflanzen aus, die sich vor allem an offenen