Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2012) (2012)

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Ums Gängle 
Ein schmaler Weg führte in Richtung der 
heutigen Schreinerei Anton Vogt. Linker 
Hand, im Anschluss an unseren Stall, 
befand sich ein Dreifachwohnhaus mit dem 
Teil von Heinrich Vogt («Wagner Heinere»), 
dem Teil von Elisabeth Vogt («sNotta 
Lisele») und dem Teil von Nina Nigg auf 
der östlichen Seite (14). Von dort gab es 
einen schmalen Fussweg, das Gängle, 
gesäumt von Lebhägen, ins Höffe (15). 
Dieses erreichte man, indem man einem 
Stall entlang in Richtung Brunnen beim 
«Liechtensteinerhof» ging. In östlicher 
Richtung fand dieser Fussweg seine Fort 
setzung in einer Brücke über den Kanal 
zum Wohnhaus von Eugen Nutt (16). 
Eugen Nutt war Malermeister und hat im 
Vorbeigehen oft unsere Aufmerksamkeit 
gefunden, weil er die Namen auf die neuen 
Grabkreuze malte und vor allem auch des 
halb, weil er ein Auto hatte, einen majestä 
tischen schwarzen Amerikanerwagen, mit 
dem er an Hochzeiten die Brautpaare fuhr 
und Taxidienste ausführte. 
Hans und Flora 
Wieder Richtung Winkel war das Anwesen 
von Georg Frick («Karl Jörg») für mich von 
grossem Interesse, weil dieser nicht nur Vieh 
hielt, sondern auch eine Fuhrhalterei be 
trieb (17). Er hatte zwei Pferde, mit denen er 
für andere landwirtschaftliche Güter trans 
portierte, pflügte und säte. Die beiden 
Pferde sind mir in besonderer Erinnerung, 
vor allem das eine. Ich habe da wohl die 
erste Neurose meines Lebens eingefangen. 
Die Pferde Messen Flora und Hans. Hans 
war ein stattliches Tier, und ich war stolz auf 
meinen Namensvetter. Aber erst nachdem 
ich festgestellt hatte, dass es auch andere 
Buben mit dem Namen Hans gab, war ich so 
richtig zufrieden, denn ich hatte mich doch 
einige Male gefragt, warum ich nach einem 
Pferd, wenn auch nach einem grossen und 
starken, getauft worden war. 
Bäcker, Küfer, Drösche 
Richtung Zwischenbäch befand sich über 
dem Kanal die Bäckerei Heinrich Frick (18). 
Es gab ein kleines Ladenlokal, wo sich die 
Kunden zu bestimmten Tageszeiten stau 
ten. Ich weiss noch, dass es am Donnerstag 
Roggenbrot gab und man hin und wieder 
dort «Agis» kaufte, das man in ganz kleinen 
Bechern bei der Arbeit auf dem Kartoffel 
feld ausschenkte. Neben der Bäckerei Frick 
befanden sich die Küferei Edmund Frick 
(19) und die von Rudi Brunhart in den 
Sommerwochen betriebene «Drösche» 
(20) . Nicht aus meiner Zeit im Winkel, aber 
wohl aus späteren Jahren erinnere ich 
mich, dass die «Drösche» während einiger 
Tage im Sommer mehr oder weniger rund 
um die Uhr lief und sich die mit Korn bela 
denen Wagen bis in den Winkel hinein stau 
ten. Wir hatten immer ein Feld mit Weizen, 
sodass man jedes Jahr auch an dieser 
Drescherei teilnehmen konnte. Und das 
Schönste war, wenn wir das Glück hatten, 
dass unser Wagen erst um Mitternacht an 
die Reihe kam. 
Eine Welt im Kleinen 
Wie ich mich erinnere, gab es im engsten 
Bereich des Winkels nur ein Telefon und 
zwei Autos, wovon eines - wie erwähnt - im 
Dorfteil Plattenbach. Autos auf den Stras 
sen waren eine Seltenheit. Bis in die Vierzi 
gerjahre bestand im Winkel ein Autofahr 
verbot. Pfarrer Waser war in diesem Sinne 
mit seinem, wenn ich mich recht entsinne, 
grünen Morris schon aufsehenerregend. 
Daneben sah man nur Autos von Vertretern, 
die zu uns in den Laden kamen oder in die 
Bäckereien Frick und Heim, oder Lieferan 
ten und den «Frächter» Scholz, die Waren 
abluden oder abholten. Ansonsten domi 
nierte der Transport durch Pferde. 
Der Winkel zeichnete sich wie andere Quar 
tiere der Gemeinde in der Zeit um 1950 
dadurch aus, dass praktisch in jedem Haus 
ein Gewerbe oder eine kleine Landwirt 
schaft betrieben wurde. Das führte neben 
der grossen Kinderschar, die das Quartier 
belebte, dazu, dass ständig etwas in Bewe 
gung war und man sich oft auf der Strasse 
traf: die Bauern beim Tränken des Viehs, die 
Frauen beim Aufhängen der Wäsche oder 
beim täglichen Einkauf. Der Winkel war in 
diesem Sinne eine Welt im Kleinen. In mei 
ner Erinnerung eine kleine, schöne Welt.
	        

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