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Jakob Josef Jauch (1802-1859)
Ein unverstandener Neuerer
Josef Frömmelt
Vorwort
Im Jahr 1983 erhielt ich von der Regierung
den Auftrag, für die liechtensteinische Lan
deshymne eine einheitliche Fassung zu er
stellen, da die meisten Musikvereine und
Chöre unterschiedliche Bearbeitungen hat
ten. Eine gemeinsame Aufführung der
Hymne bei Staatsfeiern oder Musikfesten
war daher nicht möglich.
Vom Hörensagen war mir damals bekannt,
dass der Text vermutlich vom Balzner Kap
lan Jakob Josef Jauch geschrieben worden
sei. Über dessen Person lagen mir bis dahin
keine Angaben vor. Ich hatte von ihm bes
tenfalls die vage Vorstellung eines braven
Dorfgeistlichen, der auch einmal zur Feder
griff und ein Gedicht schrieb.
Was den Ursprung der Melodie unserer
Hymne betrifft, wusste ich damals nur, dass
sie aus England stammt und in unseren
Liederbüchern ein Komponist namens
Henry Carey als Urheber genannt wurde. In
englischen Fachbüchern fand ich jedoch
bald Hinweise, dass diese Nennung falsch
und längst widerlegt sei.
Die Ungewissheit über die Entstehung der
Melodie und des Textes unserer Hymne
weckte meine Neugierde. So begann ich,
alles zu sammeln, was zu diesem Thema zu
finden war. Die Ergebnisse meiner Recher
chen wurden 2005 im Jahrbuch 104 des
Historischen Vereins für das Fürstentum
Liechtenstein veröffentlicht (S. 7-67). Die
Arbeit erschien auch als Sonderdruck.
Die Biografie von Jakob Josef Jauch be
schäftigte mich jedoch weiter, und je mehr
ich über ihn finden konnte, desto mehr ver
düsterte sich das Bild. Es zeigte sich, dass
er ein Dasein voller Tragik und Enttäu
schungen gelebt und bis zu seinem Tod
unter dem Schatten seines Vaters gelitten
hatte. Um dies zu verstehen, muss ich den
Ausführungen über Jauchs Leben und Wir
ken eine Kurzbiografie seines Vaters Xaver
Alois Jauch voranstellen.
Xaver Alois Jauch (1751-1820)
Xaver Alois Jauch entstammte einer sehr
angesehenen Urner Familie, die 1388 erst
mals urkundlich erwähnt wurde. Aus dieser
Familie gingen zahlreiche hohe Militärs
und Landammänner hervor. Sein Vater war
Oberst in spanischen Diensten und Ritter
des St. Stephans-Ordens; zwei Brüder des
Vaters erreichten nacheinander die Würde
eines Landammanns des Kantons Uri.
Als einziges Kind von Johann Josef Jauch,
damals Landammann in Uri, und dessen
Frau Maria Anna von Mentlen, wurde
Xaver Alois Jauch am 16. Januar 1751 in
Altdorf geboren. Die Mutter starb früh, und
der Vater zog wieder in den spanischen
Kriegsdienst.
Mit vierzehn Jahren trat Xaver Alois Jauch
in die Schule des Benediktinerstifts Ein
siedeln in Bellinzona ein. Er wird als aus
serordentlich begabt beschrieben. Nach sei
nem Beitritt zum Benediktinerorden legte
Pater Alois am 24. September 1768 die
Profess ab. Am 20. September 1772 wurde
er Subdiakon und am 6. Juni 1773 Diakon.
Am 24. September 1774 erhielt er die Pries
terweihe. Von 1774 bis 1781 wirkte er als
Professor an der Schule in Bellinzona. 1783
kehrte er nach Einsiedeln zurück und
wurde Novizenmeister und Fraterinstruktor.
Im Oktober 1791 kam Jauch als Beichtiger
ins Frauenkloster Fahr. Von dort gelangten
bereits ein Jahr später Klagen nach Einsie
deln, dass er Neuerungen einführe und sich
durch «ein eingebildetes, frommes Tempe
rament» zu weit leiten lasse. Er fand An-