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Bürgerliche und religiöse Kalender
Gedanken zum Jahreswechsel
Franz Näscher
Das alte Jahr liegt hinter uns und wir sehen
dem neuen entgegen. Weil das weltliche
und das kirchliche Jahr auf unterschiedli
che Weise entstanden sind und christliche
Feste unseren Jahreskreis prägen, ist es von
Interesse, dieser Frage nachzugehen.
Das bürgerliche Kalenderjahr
Der Julianische Kalender
Je nach Region und Zeit gab es schon im
mer verschiedene Arten, dem Jahr anhand
des Laufs der beiden Hauptgestirne Sonne
und Mond eine Struktur zu geben. Unser
Wort Monat ist aus dem Wort Mond ent
standen.
Im grossen Römerreich waren mehrere lo
kale Kalender in Gebrauch, die weder
einem genauen Sonnen- noch einem genauen
Mondjahr entsprachen. Die unterschiedli
chen Formen führten unweigerlich zu
Problemen. Diesen Zustand beendete Julius
Caesar 46 v. Chr. durch seine Kalender
reform. Gezählt wurden die Jahre ab der
Gründung der Stadt Rom (753 v. Chr.). Jah
resbeginn im alten Rom war der 1. März,
woher die Monate September bis Dezember
ihre Namen haben: 7. bis 10. Monat. In
Russland galt dieser Jahresanfang bis ins
14. Jahrhundert, in der Republik Venedig
bis zu deren Ende 1797. In weiten Gegen
den wurde der Jahresbeginn schon zur
Römerzeit auf den 1. Januar verlegt, ver
mutlich auch bei uns. Er spielte jedoch in
früheren Jahrhunderten nicht die Rolle wie
heute, wo man ihn mit Feuerwerk usw. ein
läutet. Julius Cäsar setzte eine durch
schnittliche Jahreslänge von 365V4 Tagen
fest, das heisst, alle vier Jahre wurde ein
Schalttag eingefügt, und zwar kurz vor dem
damaligen Jahresende im Februar. Diese
Überkorrektur führte dazu, dass jedes Jahr
um elf Minuten vom tatsächlichen Sonnen
jahr abwich und sich so der Frühlings-
Jidhis Caesar
(100-44 v.Chr),
römischer
Staatsmann.
anfang im Lauf der Jahrhunderte um zehn
Tage vorverschoben hatte.
Der Gregorianische Kalender
Der Kirche war an einem präzisen Kalen
der sehr gelegen, nachdem auf dem Konzil
von Nikaia im Jahr 325 festgelegt worden
war, dass das Osterfest immer am ersten
Sonntag nach dem ersten Vollmond im
Frühling gefeiert werden sollte. Ende des
2. Jahrhunderts hatte es innerkirchlich
wegen des Termins den sogenannten Oster
feststreit gegeben. 1582 führte Papst Gre
gor XIII. die fällige Korrektur der überzäh
ligen Tage des Julianischen Kalenders und
die Schaltjahrregelung durch. Es wurden
zehn Tage weggelassen: Auf den 4. Oktober
1582 folgte der 15. Oktober.
Die katholischen Länder übernahmen die
Regelung sofort. Der Gregorianische Kalen
der hat bis heute Gültigkeit. In den evange
lisch orientierten Ländern entfachte dieser
«papistische» Beschluss einen Sturm der
Entrüstung und einen Jahrhunderte lang
dauernden Kalenderstreit, sodass in den
protestantischen Ländern Deutschlands