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Heinrich Kaufmann
(1898-1984).
Küche ein Kaffee serviert wurde, benutzte
ich die Gelegenheit, sein Motorrad zu be
trachten, welches mit vielen Hebeln ausge
rüstet und mit roter Farbe bemalt war.
Nachdem ich mit grossem Vergnügen auf
dem Rücksitz Platz genommen hatte, fuhr
er mit seiner Maschine los. Ich war vorher
nie auf einem solchen Gefährt gesessen und
hatte meine helle Freude, wie dieser Kalk
brenner mit seinem Indian um die Kurven
am Melserberg raste. Am liebsten wäre ich
den ganzen Tag auf der Maschine sitzen
geblieben.
Bei der Schwendi überholten wir unseren
Fuhrmann, der ca. 2 Stunden vor uns in
Sargans weggefahren war Vorsiez erreich
ten wir um ca. 7.30 Uhr, wo bereits David
und Heinrich eingetroffen waren. Motorrad
und Fahrräder wurden in der Alphütte ein
geschlossen, worauf wir in Richtung Tüls
marschierten. Um ca. 9 Uhr trafen wir auf
der Alp Tüls-Obersäss ein. In der Alphütte
nahmen wir noch eine Zwischenverpfle
gung ein, bevor mein Vater jedem Arbeiter
seinen Posten zuwies.
einst in den Dolomiten Kalk gebrannt habe
und für dessen gute Qualität sogar eine
Auszeichnung erhalten habe. Mein Vater
und ich waren dazu berufen, das Italienisch
des Tonetti in das Glarnerdeutsch des Kalk
brenners zu übersetzen. Zusätzlich hatte
ich die Aufgabe, alles aufzuschreiben, was
uns Herr Stähli über das Kalkbrennen er
zählte. Dieser erwähnte dann, dass Tonetti
seine Auszeichnung nicht dem General
Gadoma, sondern dem General Zufall zu
verdanken habe, da der Kalkstein in den
Dolomiten mit dem dortigen Holz offenbar
ganz per Zufall einen guten Kalk ergeben
habe. Jedenfalls seien in der Kalkfabrik
Netstal ständig Chemiker damit beschäf
tigt, neue Steine oder anderes Brennmate
rial zu untersuchen, was jeweils immer wie
der andere Arbeitsmethoden im Brennvor
gang erfordere. So machte er uns darauf
aufmerksam, dass die zwei hier vorhande
nen Kalksorten verschiedene Brennvorgänge
verlangten. Deshalb seien die beiden Sorten
auch separat zu brennen. Dieser Kalk
brenner hatte auf dem Gebiet der Kalk
herstellung sehr grosse Erfahrung. Trotz
dem erwähnten wir gegenüber Tonetti
nichts von General Zufall, da wir darin kei
nen eigentlichen Nutzen sahen.
Von den Angaben über die Kalkherstellung
habe ich sehr viel aufgeschrieben, wobei
ich mit den vielen Fachausdrücken einige
Mühe hatte. Am Schluss der Besprechung,
als auch die neben uns in der Küche ko
chende Suppe fertig war, überreichte mir
Herr Stähli ein Blatt, worauf die Formeln
über den chemischen Vorgang beim Kalk
brennen zu lesen waren. Als ich dann ver
suchte, die Ausdrücke wie Calciumoxyd,
Kohlenoxyd oder Kohlenmonoxyd in mein
Bergamasker-Italienisch zu übersetzen, um
dies dem Tonetti beizubringen, sah ich bald
ein, dass dies sinnlos war.
Herr Stähli verabschiedete sich dann bei
uns mit dem Rat, den Kalk ebenso gut zu
machen wie die Minestra, wovon er reich
lich gekostet hatte, sodass dessen Qualität
einwandfrei sei.
Der Kalkbrenner mit Namen Stähli war seit
Jahren bei der Kalkfabrik Netstal beschäf
tigt. Er war ca. 45 Jahre alt, deutschspra
chig; Italienisch konnte er nicht. Zuerst
hörte er sich an, wie Tonetti erzählte, wie er
Die Herstellung von Kalk auf der Alp voll
zog sich zunächst sehr zaghaft, ging aber
schliesslich nach einigen Versuchen zügig
voran. Meine Aufgabe bestand darin, die
Menge Wasser zu bestimmen, welche für