Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2010) (2010)

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Heinrich Kaufmann 
(1898-1984). 
Küche ein Kaffee serviert wurde, benutzte 
ich die Gelegenheit, sein Motorrad zu be 
trachten, welches mit vielen Hebeln ausge 
rüstet und mit roter Farbe bemalt war. 
Nachdem ich mit grossem Vergnügen auf 
dem Rücksitz Platz genommen hatte, fuhr 
er mit seiner Maschine los. Ich war vorher 
nie auf einem solchen Gefährt gesessen und 
hatte meine helle Freude, wie dieser Kalk 
brenner mit seinem Indian um die Kurven 
am Melserberg raste. Am liebsten wäre ich 
den ganzen Tag auf der Maschine sitzen 
geblieben. 
Bei der Schwendi überholten wir unseren 
Fuhrmann, der ca. 2 Stunden vor uns in 
Sargans weggefahren war Vorsiez erreich 
ten wir um ca. 7.30 Uhr, wo bereits David 
und Heinrich eingetroffen waren. Motorrad 
und Fahrräder wurden in der Alphütte ein 
geschlossen, worauf wir in Richtung Tüls 
marschierten. Um ca. 9 Uhr trafen wir auf 
der Alp Tüls-Obersäss ein. In der Alphütte 
nahmen wir noch eine Zwischenverpfle 
gung ein, bevor mein Vater jedem Arbeiter 
seinen Posten zuwies. 
einst in den Dolomiten Kalk gebrannt habe 
und für dessen gute Qualität sogar eine 
Auszeichnung erhalten habe. Mein Vater 
und ich waren dazu berufen, das Italienisch 
des Tonetti in das Glarnerdeutsch des Kalk 
brenners zu übersetzen. Zusätzlich hatte 
ich die Aufgabe, alles aufzuschreiben, was 
uns Herr Stähli über das Kalkbrennen er 
zählte. Dieser erwähnte dann, dass Tonetti 
seine Auszeichnung nicht dem General 
Gadoma, sondern dem General Zufall zu 
verdanken habe, da der Kalkstein in den 
Dolomiten mit dem dortigen Holz offenbar 
ganz per Zufall einen guten Kalk ergeben 
habe. Jedenfalls seien in der Kalkfabrik 
Netstal ständig Chemiker damit beschäf 
tigt, neue Steine oder anderes Brennmate 
rial zu untersuchen, was jeweils immer wie 
der andere Arbeitsmethoden im Brennvor 
gang erfordere. So machte er uns darauf 
aufmerksam, dass die zwei hier vorhande 
nen Kalksorten verschiedene Brennvorgänge 
verlangten. Deshalb seien die beiden Sorten 
auch separat zu brennen. Dieser Kalk 
brenner hatte auf dem Gebiet der Kalk 
herstellung sehr grosse Erfahrung. Trotz 
dem erwähnten wir gegenüber Tonetti 
nichts von General Zufall, da wir darin kei 
nen eigentlichen Nutzen sahen. 
Von den Angaben über die Kalkherstellung 
habe ich sehr viel aufgeschrieben, wobei 
ich mit den vielen Fachausdrücken einige 
Mühe hatte. Am Schluss der Besprechung, 
als auch die neben uns in der Küche ko 
chende Suppe fertig war, überreichte mir 
Herr Stähli ein Blatt, worauf die Formeln 
über den chemischen Vorgang beim Kalk 
brennen zu lesen waren. Als ich dann ver 
suchte, die Ausdrücke wie Calciumoxyd, 
Kohlenoxyd oder Kohlenmonoxyd in mein 
Bergamasker-Italienisch zu übersetzen, um 
dies dem Tonetti beizubringen, sah ich bald 
ein, dass dies sinnlos war. 
Herr Stähli verabschiedete sich dann bei 
uns mit dem Rat, den Kalk ebenso gut zu 
machen wie die Minestra, wovon er reich 
lich gekostet hatte, sodass dessen Qualität 
einwandfrei sei. 
Der Kalkbrenner mit Namen Stähli war seit 
Jahren bei der Kalkfabrik Netstal beschäf 
tigt. Er war ca. 45 Jahre alt, deutschspra 
chig; Italienisch konnte er nicht. Zuerst 
hörte er sich an, wie Tonetti erzählte, wie er 
Die Herstellung von Kalk auf der Alp voll 
zog sich zunächst sehr zaghaft, ging aber 
schliesslich nach einigen Versuchen zügig 
voran. Meine Aufgabe bestand darin, die 
Menge Wasser zu bestimmen, welche für
	        

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