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Pfarrkirche Balzers,
Blick zum Chor,
Zustand seit den
Renovierungen
von 1971/72 und
1981/82.
Fotografie 2007.
mutmasslich bis etwa 1918 in Paris sein
«Atelier Artistique de Peinture sur Verre».
In jenem Jahr kaufte Nüscheler die profa
nierte alte Kirche von Boswil (AG) samt
Pfarrhaus und Odilokapelle und richtete
dort sein Kunstatelier ein. Auf dem Brief
kopf seiner nach Balzers gerichteten
Geschäftspost warb er mit einer breiten
Palette an Arbeitsangeboten: «Bildhaueri
sche Steinsprossenfenster, Plastiken in
Kunststein, Glasmalereien, Altarbilder,
Fresken, Mosaiken, heraldische Arbeiten,
Renovationen antiker Werke».
19 PfAB 9b, Schreiben
von Pfarrer Jörg an
Richard Nüscheler,
Lumbrein, 16. Januar
1916.
20 PfAB 9b, Schreiben
von Robert Prinz an
Pfarrer Hollweck,
Bonaduz, 17. Juni
1932.
21 PfAB 9b, Schreiben
von Bischof Lauren
tius Matthias an Pfar
rer Hollweck, Chur,
30. Juli 1932.
22 PfAB 9b, Schreiben
von Richard Nüscheler
an Prälat Adolf Fäh in
St. Gallen, Boswil,
28. August 1932.
Als Nüscheler mit den Arbeiten in Balzers
beauftragt wurde, war er kein Unbekannter
mehr. Die 1891/92 erbaute Kapelle St. Josef
in Gruyère (FR) weist noch heute seine
Glasmalereien von 1891 sowie seine Wand
malereien von 1909 im Chor auf. Neben geo
metrischer Malerei in Schablonentechnik
fertigte er Figuren wie Anna und Maria,
Franz von Assisi, den hl. Josef und ein
Porträt der Muttergottes im neubyzantini
schen Stil. In der 1910 errichteten neuroma
nischen katholischen Herz-Jesu-Kirche von
Samedan (GR) war Nüscheler für die
Ausmalung der Apsis zuständig. Hier findet
sich die Inschrift: «Basilicam hanc erigen-
dem ornandamque curavit Georgius Schmid
a Grüneck Eppus Curiens. A.D. MCMX» -
und damit ein Hinweis auf Nüschelers spä
teren Fürsprecher in Balzers, nämlich Bi
schof Georgius Schmid von Grüneck. 1916
stellte Pfarrer Jörg dem Maler Nüscheler ein
Zeugnis für die Restaurierung der Kirche
von Lumbrein (GR) aus, in welchem es
unter anderem heisst: «Habe ich auch bei
der Ausführung des Werkes ... wegen der
Dummheit Vieler & der Bosheit weniger
Hagestolze viel Unannehmlichkeiten gehabt,
nichts freut mich so sehr und lässt alles Un
gemach vergessen, als der Blick auf das
gelungene Werk.» 19
Nüschelers Referenzobjekt für seine Bewer
bung in Balzers war die Ausmalung des in
den Jahren 1924/25 an den spätgotischen
Chor angebauten Langhauses der katholi
schen Kirche Unserer Lieben Frau in Bona
duz (GR). Wie einem Brief an Pfarrer Holl
weck aus dem Jahr 1932 zu entnehmen ist,
war man dort mit Nüschelers Arbeit all
gemein zufrieden: «Herr Nüscheler ist
< schmiegsam>, d. h. man kann ihm auch et
was sagen, er hört auf die Wünsche des
Auftraggebers & vor allem, er ist noch frei
von neuzeitigen Allüren. Seine Bilder at
men tiefe Andacht, wie er ja auch selber ein
braver, religiöser Mann ist. Sie tun gewiss
ein gutes Werk, wenn Sie Herrn Nüscheler
nehmen, denn der arme Mann ist in Geld
sorgen. Ein biss[ch]en treiben müssen Sie,
sonst geht die Arbeit etwas langsam von
statten. Aber man darf treiben, der Mann
ist gar nicht empfindlich.» 20
Richard Nüscheler, der als «Maler der älte
ren Richtung» 21 galt, wusste aus Erfahrung,
was in Balzers auf ihn zukommen würde.
1932 schrieb er von einer grosszügigen und
dankbaren Arbeit, «aber auch hier werden
Dornen zu brechen & Missgriffe & Unver
ständnisse zu tragen & zu heben sein.» 22
Motive und Stil des per Gemeinderatsbe
schluss vom 31. Juli 1932 an Nüscheler er
teilten Auftrags waren zwar festgelegt, doch
kam es in Bezug auf Detailfragen immer
wieder zu Differenzen zwischen Maler und
Pfarrer, der mehr war als das Sprachrohr
der zuständigen Kommission. Nüscheler
sollte die Dekorationsmalerei im Schiff mit
Inschriften und Emblemen am Chorbogen
und an den Gurtbögen sowie Malereien in
der Taufkapelle und auf der Orgelempore
ausführen. In einem Schreiben des Malers
aus dem Jahr 1932 heisst es: «Die grösste
dekorative Wirkung verspreche ich mir von
den grossen über 6 Meter hohen Figuren:
über dem Marienaltar die Madonna mit