5
Die Balzner Wirtshäuser
im Spiegel der Verkehrsgeschichte
Klaus Biedermann
Die Wirtshäuser «Hirschen» und «Engel» mit der dazugehörenden Zuschg. Zeichnung von Anton
Gstöhl. Dieses Bild hängt heute im «Engel».
Bis ins frühe 19. Jahrhundert war das so
genannte Rodwesen eine willkommene
Einnahmequelle für die bäuerliche Bevöl
kerung Liechtensteins. 1 Unter Rodwesen
versteht man eine Form des Warenver
kehrs, bei dem - vereinfacht dargestellt -
eine Dorfgenossenschaft die ihr anvertrau
ten Handelsgüter bis ins nächste Dorf
transportierte, von wo aus die zweite Dorf
genossenschaft diese Waren wiederum wei
ter beförderte. Mitglied einer Rodgenossen
schaft konnte eigentlich jeder Bauer sein,
sofern er über ein Saumpferd beziehungs
weise über einen Wagen oder ein Zugtier
verfügte. Die einzelnen Mitglieder wurden
in einer festgesetzten Rod (= Reihe) 2 zum
Warentransport aufgeboten.
Balzers liegt an einer historischen
Handelsstrasse
Liechtenstein lag geografisch günstig an
einem wichtigen Handelsweg, welcher - re
gional betrachtet - Feldkirch und Chur mit
einander verband. In einem grösseren Kon
text indes verband dieser Handelsweg
Deutschland mit Italien. Der Rodverkehr
war grundsätzlich darauf angewiesen, dass
Transitgüter durch Liechtenstein spediert
wurden. In erster Linie handelte es sich um
Korn- und Salztransporte. Die liechtenstei
nischen Rodfuhrleute holten die ihnen
anvertrauten Waren in Feldkirch ab und
beförderten diese Güter bis nach Maien
feld. Die Fuhrleute profitierten vom Waren-
1 Der vorliegende Auf
satz stützt sich haupt
sächlich auf meine
Ausführungen «Das
Rod- und Fuhrwesen
im Fürstentum Liech
tenstein. Eine ver
kehrsgeschichtliche
Studie mit besonderer
Berücksichtigung des
späten 18. Jahrhun
derts». In;Jahrbuch
des Historischen Ver
eins für das Fürsten
tum Liechtenstein,
Band 97. Vaduz 1999,
S. 7-183. Dieser im
Jahrbuch des Histori
schen Vereins publi
zierte Beitrag ist eine
leicht überarbeitete
und ergänzte Fassung
meiner Lizentiats
arbeit, die ich 1994 an
der Universität Bern
eingereicht habe.
2 «Rod» wird von Jürg
Simonett als eine ober
deutsche Form für
«Rotte» im Sinn von
«Reihenfolge», «Tour»
gedeutet (vgl. Jürg
Simonett: Verkehrs
erneuerung und Ver
kehrsverlagerung in
Graubünden. Die
«Untere Strasse» im
19. Jahrhundert. Chur
1986, S. 11). Sprach
wissenschaftler leiten
den Begriff jedoch aus
dem Lateinischen ab:
Eugen Gabriel deutet
«Rod» als von «opéra
rogata» (das heisst:
«angeforderte Arbeit»)
herrührend, während
Hans Stricker die An
sicht vertritt, dass sich
der Begriff «Rod» vom
lateinischen «rotula»
herleiten lässt. «Rotu
la» bedeutet «das sich
Drehende», «das Rad».
(Freundliche Mittei
lung von Eugen Gab
riel und Hans Stricker
an den Verfasser).