Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2006) (2006)

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Aufgrund der Bürokratie rennen ihnen 
die Dopingfahnder mit einem Verzug von 
drei Jahren hinterher. Ist ein Dopingmit 
tel auf der Liste, gibt es bereits wieder 
neue, die zwar bekannt, aber von den Bü 
rokraten noch nicht erfasst sind. Vor ein 
paar Jahren hat eine Untersuchung am 
Engadiner Skimarathon gezeigt, dass bis 
zur Hälfte aller 13 000 Läufer zu Schmerz- 
und Dopingmitteln greifen - ein Beitrag 
zur Volksgesundheit? 
Die Glorifizierung des Gewinns 
Heinrich Heine prophezeite - wie einleitend 
erwähnt - «die Geldwerdung Gottes oder die 
Gottwerdung des Geldes». Es ist nun so 
weit. Wie der Irrglaube an immer mehr ist 
auch die Basis unserer Wirtschaftsethik ein 
veralteter, ja lächerlicher Gedanke. Ich mag 
mich jetzt etwas gar weit von der Wirtschaft 
unserer Zeit wegbewegen, aber im Grunde 
zählen die Aussagen von Adam Smith (1723- 
1790) immer noch; «Im freien Wettbewerb 
stellt sich durch das eigennützige Handeln 
der Menschen das Gleichgewicht zwischen 
Erzeugung und Verbrauch sowie Lohn und 
Preis ein, und damit ein Zustand der natür 
lichen Harmonie des wirtschaftlichen und 
sozialen Lebens.» 
Eine solche Sicht ist lebensfeindlich und 
zutiefst unchristlich. Sie macht die Reichen 
immer reicher und die Armen immer 
ärmer. Wenn ich Jesus richtig verstanden 
habe, meinte er das Gegenteil. Nach Smiths 
These geht Eigennutz vor Gemeinnutz, und 
so sieht es in unserer Wirtschaft aus. Dem 
Sachkapital stehen Menschen gegenüber, 
und die müssen - vor allem in christlichen 
Ländern - Vorrang gemessen. Aus diesem 
Blickwinkel steht sogar Karl Marx (1818- 
1883) Jesus näher als Adam Smith. Letzte 
rer gilt als Vorläufer der Glorifizierung des 
Gewinns auf Kosten der Menschlichkeit. 
• Die Deutsche Bank unter ihrem Melser 
Chef Ackermann strebt 2005 eine Ge 
winnsteigerung um 25 Prozent an, ausge 
hend von einem stolzen Sockel. Der Weg 
dahin: Verzicht auf jeden überflüssigen 
Menschen, Entlassung Tausender in aller 
Welt, Steigerung der Zahl der Arbeitslo 
sen zu Lasten des Staates, Beschränkung 
des unrentablen Geschäftes mit den ein 
fachen Leuten (die Filiale in Lindau wur 
de geschlossen), Profit in die Taschen der 
Aktionäre. Dies nennt die New Economy 
«Shareholder Value»! Man wählt Eng 
lisch, damit wir den Klartext nicht mehr 
verstehen. 
• In einer chinesischen Fabrik ist am 3. Ok 
tober 2005 eine Frau an Erschöpfung ge 
storben, weil sie 24 Stunden arbeitete. Ihr 
Stundenlohn war zu gering, um mit einer 
Arbeitszeit von 12 Stunden leben zu kön 
nen. Sie stellte billige Textilien für den 
(christlichen) Westen her. «Geht hinaus 
und lehret alle Völker...» 
• Die 200 Reichsten besitzen mehr als die 
arme Hälfte der Menschheit. 
• Güter- und Spekulationsströme fliessen 
derzeit im Verhältnis von etwa 1:4. Das 
heisst, auf einen Euro Arbeit kommen 
vier Euro Spekulationsgelder. Der Ertrag 
der Arbeit wird immer kleiner, die Gewin 
ne der Spekulationen steigen immer ekla 
tanter. Wer arbeiten muss, ist der Dum 
me. Die Reichen spekulieren. 
• Die Selbstbedienung von Chefs grosser 
Konzerne hat unerträgliche Ausmasse er 
reicht. Sie plündern ihr Unternehmen auch 
dann noch, wenn sie es in Verluste hinein 
geritten haben. So geschehen bei ABB. Das 
Nachsehen haben oft die Rentner, die für 
ihr Unternehmen ein Leben lang gearbeitet 
haben, oder die Arbeitslosen. 
• Die Börsen wurden einst geschaffen als 
Marktplatz für Leute, die ihr Geld in ei 
nem Unternehmen anlegen wollten. Heu 
te sind die Börsen mehr Spielkasino als 
Teil der Wirtschaft. Das Gerangel um den 
schnellen Profit nimmt immer skurrilere 
Formen an. Die derivativen Instrumente 
sind ein Auswuchs des Spekulantentums. 
Sinnvoll wären deren Abschaffung und 
die Verpflichtung, nach einem Börsen 
kauf die Aktien ein Jahr lang behalten zu 
müssen. 
Die Manipulation der Massen 
Der Irrglaube an immer mehr und die Glo 
rifizierung des Gewinns gipfeln im wissen 
schaftlich untermauerten Marketing. Zum 
Begriff Marketing gibt es viele schönfärbe- 
rische Definitionen wie etwa: «Ausrichtung 
des Unternehmens auf die Bedürfnisse des
	        

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