43
Über die Liebe zum Leben
Wilfried Kaufmann
Die Reichen - ob es nun die Mächtigen oder
die Multis sind - entscheiden über Gerech
tigkeit, Arbeit und Krieg. Heinrich Heines
(1797-1856) «Geldwerdung Gottes oder
Gottwerdung des Geldes» ist Tatsache ge
worden. Der biblische Tanz ums Goldene
Kalb ist in vollem Gange. Nur: Die Armen
bleiben aussen vor. Sie werden von den
Reichen in Stellvertreterkriege geschickt,
die Hungernden sterben zwischen den
Fronten. Das Elend auf unserer Mutter Er
de, die Millionen Toten und Verhungerten,
die Benachteiligten klagen uns an. Unsere
Nachfahren werden es ihnen gleichtun. Auf
dieser Bitterkeit schmarotzt der Terroris
mus und wuchert über den Erdball. Ein
Strom des Hasses ergiesst sich über uns -
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Was wir mit
unserer überlegenen Technik getan haben,
hat sich in die Seelen der Armen tief einge
graben. Der Racheengel schwebt über uns.
Wie treten wir ihm entgegen?
In den Wohlstandsgesellschaften dieser
Welt fühlen sich die meisten nicht sonder
lich wohl. Die Sehnsucht nach mehr Ge
rechtigkeit, Frieden und Harmonie fällt
auch bei uns auf fruchtbaren Boden. Wir
brauchen eine neue Idee für einen Zeitgeist,
in dem Geld und Macht von einem anderen
Denkmuster abgelöst werden. Es heisst:
Biophilie oder die Liebe zu allem Leben.
Man kann sie getrost ansehen als eine mo
derne Auslegung der Lehren von Jesus -
und als Fanal der Hoffnung für eine Welt,
die dereinst von Liebe statt vom Mammon
regiert wird.
Ich sehe mich als Schüler Erich Fromms
(1900-1980). Meine radikalen Gedanken
lassen sich auch auf lange Sicht unmöglich
realisieren. Radikal stammt von lateinisch
«radix», die Wurzel. Da fällt mir das Wort
«Rettich» ein. Er schmeckt bitter. Bitter
stoffe sind ein Segen für unsere Verdauung.
Wilfried Kauf manu
anlässlich seines Vor
trags vom 31. Okto
ber 2004 in der Ge-
meindehihliothek
Balzers.