Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2005) (2005)

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Die Regulierung der Landesgrenze zu Graubünden 
Paul Vogt 
Die Entstehung der Landes- und Gemeinde 
grenzen in Balzers wurde, soweit dies den 
«Verlust des Ellhorns 1948» 1 und die Grenze 
zu Wartau 2 betrifft, in den «Balzner Neujahrs- 
blätlern» bereits abgehandelt. In diesem Bei 
trag soll nun die Grenzbildung gegenüber 
Fläsch und Maienfeld beziehungsweise Grau 
bünden dargestellt werden. 
Das Thema Grenzkonflikte ist nicht nur po 
litisch, sondern auch kulturgeschichtlich 
spannend. Grenzverletzungen («Grenzfre 
vel») waren im Volksglauben etwas vom 
Verwerflichsten und brachten Unglück. Sie 
wurden ausserdem von der weltlichen Ob 
rigkeit schwer bestraft. 
Die Grenzurkunden der Gemeinden wurden 
seit dem Mittelalter besonders sorgfältig 
aufbewahrt. Als beim Dorfbrand von 1795 
die Balzner Originalurkunden auf Perga 
ment zerstört wurden, konnte glücklicher 
weise ein Band mit Abschriften aus dem 
Jahr 1780 gerettet werden. Lehrer Johann 
Baptist Vogt, der die Urkunden 1841 ein 
zweites Mal in einem Band abschrieb, hielt 
dazu in übertrieben pathetischerWeise fest: 
«Nur das erwähnte Repertorium wurde 
durch die Geistesgegenwart eines Mannes 
den Flammen entrissen und war von dortan 
die einzige Waffe, womit wir die Angriffe 
unserer Nachbarn zu bekämpfen hatten.» 3 
In dieser Bemerkung werden die Emotionen, 
die mit der Grenzfrage verbunden waren, 
deutlich. Ob uns die Bündner Nachbarn 
aber tatsächlich angriffen, soll - unter ande 
rem - im folgenden Beitrag geklärt werden. 
Die Welt der Sagen 
Bevor ich auf die historisch belegbaren Fak 
ten eingehe, möchte ich einen Blick in die 
Welt der Sagen werfen. Diese sind für das 
Verständnis der Grenzkonflikte aufschluss- 
reich. Es ist sicher kein ZLifall, dass sich vier 
mehr oder weniger bekannte Sagen mit 
Grenzfestlegungen beim St. Katrinabrunna 
in Balzers befassen. Da diese Sagen über die 
Wertvorstellungen in Bezug auf das Ver 
setzen von Marksteinen Auskunft geben, 
möchte ich mit diesen beginnen. 
Grenzfrevler finden keine ewige Ruhe 
Otto Seger erzählt: «Zwei Burschen aus 
Balzers kehrten von einem Feste auf der 
Luziensteig heim. Da sahen sie nahe der 
Landstrasse zwei Männer, die sie nicht er 
kennen konnten, um die Grenze zweier 
Grundstücke streiten. Die Balzner dachten: 
Eigentlich sollte man ihnen helfen können. 
Aber sie gingen doch weiter. Kaum waren 
sie daheim, da klopfte es an den Fensterla 
den. Es war, wie sie geahnt hatten: Die un 
heimlichen Fremden standen draussen und 
fragten unfreundlich; <Was habt ihr ge 
dacht, als ihr bei uns vorbeigelaufen seid?> 
Die Burschen antworteten: <Man sollte euch 
helfen können, ist unser Gedanke gewesene 
Mit zorniger Stimme befahlen jetzt die 
nächtlichen Gäste: (Kommt sogleich mit uns 
zum Katharinabrunnen, dort, wo ihr uns ge 
troffen habt! Folgt ihr nicht, liegt ihr morgen 
tot im Bett.> Der eine ging mit, obwohl ihn 
der andere abzuhalten versuchte. Draussen 
atif dem Feld befahlen die beiden Geister, 
einen glühenden Markpfahl an die Grenze 
zu setzen. Von Angst gequält, folgte er dem 
Befehl, und als es geschehen war, verschwan 
den die Geister lautlos. Er aber hatte die 
Hand ganz verbrannt, mit der er den Pfahl 
gehalten hatte. Entsetzt ging er heim, um es 
seinem Freunde zu berichten, aber als er 
dessen Schlafkammertüre öffnete, fand er 
ihn tot im Bett.» 4 
1 Arthur Brunhart: Der 
Verlust des Ellhorns 
1948. In: Balzner 
Neujahrsblätter 1999, 
S. 5-18. 
2 Martin Gräber; Grenz- 
und Wuhrstreitigkeiten 
zwischen den Gemein 
den Balzers und Wartau. 
In: Balzner Neujahrs- 
blätter 2001, S. 23-30. 
2 Zitiert nach Georg 
Malin, LUB 1/4, S. 105. 
Ich möchte mich an 
dieser Stelle auch bei 
Claudius Gurt, Bearbei 
ter des zweiten Teils 
des Liechtensteinischen 
Urkundenbuchs, für die 
Hinweise auf Quellen 
und Literatur zu dem 
hier bearbeiteten The 
ma herzlich bedanken. 
4 Otto Seger: Sagen aus 
Liechtenstein. Nendeln 
1980 (Nachdruck der 
Ausgabe von 1966), 
Nr. 36.
	        

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