44
Abb. 5: Siegel vom 24. September 1266 (links); Siegel vom 15. September 1300
(rechts), identisch mit dem links abgebildeten Siegel
scheinlichkeit in der Schweiz zu su
chen, wobei hier mit Schweiz jene
mittelalterliche Landschaft gemeint
ist, die geographisch der heutigen
(Deutsch-)Schweiz entspricht: Denn
nur bei den «schweizerischen» von
Frauenberg kommt in der fraglichen
Zeit der Vorname Heinrich vor. Seine
Lieder sind lediglich in der in Zürich
entstandenen Manesse-Liederhand-
schrift überliefert, und dort steht er
am Ende einer Reihe meist «schwei
zerischer» Minnesänger, direkt nach
Heinrich von Sax, worauf zwei «Öster
reicher» und dann wieder «Schwei
zer» folgen.
Es kommen weitere Hinweise dazu,
die Bartschs Ausführungen erhärten:
Das Wappenbild in der Handschrift
stimmt mit dem der «Schweizer»
Freiherren von Frauenberg in der
«Zürcher Wappenrolle» überein, im
Gegensatz zu den bairischen und
schwäbischen Wappen desselben Ge
schlechts (vgl. Abb. 3 und 4). Die so
genannte «Zürcher Wappenrolle» ist
eine Pergamentrolle (400,5 x 12,5 cm)
aus 13 zusammengenähten Stücken,
die beidseitig in zwei Reihen mit Voll
wappen bemalt ist. Derzeit ist sie in
fünf Streifen aufgelöst. Ihren Namen
hat sie nicht von ihrem Entstehungs
ort, der eher in St. Gallen oder in Kons
tanz zu suchen sein dürfte, sondern
von ihrem Aufbewahrungsort, der
Zentralbibliothek Zürich (deponiert
im Landesmuseum Zürich). Die «Zür
cher Wappenrolle» dürfte zwischen
1335 und 1345 entstanden sein und
enthielt ursprünglich 559 Darstellun
gen von Vollwappen und 28 von bi
schöflichen Bannern. 109 der Wappen
sind nur noch in einer 1797 angefer
tigten Kopie erhalten. Über drei Vier
tel der Wappen tragen Namens-
beischriften in Majuskeln. So erweist
sich die «Zürcher Wappenrolle» in ih
rer zeitlichen und räumlichen Nähe
zur «Grossen Heidelberger Lieder
handschrift» als Vergleichsobjekt für
die Wappen der Minnesängerbilder
als besonders wertvoll, nicht zuletzt
deshalb, weil die abgebildeten Wap
pen der «Zürcher Rolle» in der Regel
als historisch zuverlässig gelten. Zu
dem ist an der Urkunde vom 24. Sep
tember 1266 und an derjenigen vom
15. September 1300 jeweils das Siegel
Heinrichs von Frauenberg erhalten,
das den Greif zeigt (vgl. Abb. 5).
Die oben genannten Befunde lassen
eine Identifizierung des Minnesän
gers mit einem Freiherrn aus dem
«Schweizer» Geschlecht der von
Frauenberg mit grösster Wahrschein
lichkeit zu.
Ein Heinrich von Frauenberg begeg
net uns erstmals 1257 unter den Zeu
gen einer Urkunde, in der Albert II.
von Sax das Schloss Wartenstein und
die Vogtei über Pfäfers, Valens, Vättis
und Untervaz an die Abtei Pfäfers ver
kauft: «H. miles de frövinberch et do
minus Fridericus suus frater» (LUB 1/1,
S. 108), am 8. Februar 1258 desglei
chen anlässlich des Verkaufs von
Rechten im Oberhalbstein an das
Hochstift Chur durch Freiherr Berall II.
von Wangen-Burgeis: «Henrico de
vrowenberch» (LUB 1/1, S. 109). Eben
so bezeugt er am 7. Juli 1262 einen
Tausch von Gütern zwischen Bischof
Heinrich von Chur und Heinrich I.
von Wildenberg: «presentibus Symone
de Montalt. Heinrico de vrowenberch.
Heinrico de Beimunt, nobilibus»
(LUB 1/1, S. 110). Am 24. September
1266 bekennt «Hernicus de howen-
berc», dass Bischof Heinrich von
Chur wegen eines ihm und seiner Kir
che bevorstehenden Krieges ihm die
Kerzner und Schmalzzinser («homi
nes de Candela et Buttarinos») zum
Schutz übergab, mit der Bedingung,
dass er und seine Erben, sobald der
Bischof oder seine Nachfolger es ver
langten, dieselben unweigerlich wie
der aus dem Schutz entlassen und
dem gegenwärtigen Amtsträger frei
überlassen würden (LUB I/1, S. 112f.).
Im Gegensatz zu verschiedenen Sie
geln, die im Laufe der Zeit zerbrochen
oder verloren gegangen sind, ist das
dreieckige Wachssiegel Heinrichs von
Frauenberg fast vollständig erhalten
geblieben und hängt an der Urkunde
(vgl. Abb. 5, linkes Siegel; Masse: 50 x
45 mm; * S.HEN...I.D.TrOENBE.GE).
Das Original befindet sich im Bischöf
lichen Archiv Chur. Mit dieser Urkun
de verschwindet der Name der Frau
enberger für fast zwei Jahrzehnte aus
der Geschichte.
Da zwischen 1266 und 1284 kein
Heinrich von Frauenberg auftritt, war
man stets geneigt, an zwei verschiede
ne Personen, Vater und Sohn, zu den
ken. Die Lebensdaten der wahr
scheinlichen Töchter Margarethe und
Katharina, auf die wir noch zu spre
chen kommen, und die Nennung ei
nes Bruders Wilhelm scheinen dies
ebenso wie die Stellung in den Zeu
genlisten nahe zu legen. Doch Muraro
gibt in seinem Aufsatz «Untersuchun
gen zur Genealogie der Freiherren
von Wildenberg und von Frauenberg»
zu bedenken, dass stets dasselbe Sie
gel verwendet wird und sich «... der
Annahme eines einzigen Heinrich
nicht unüberwindliche Schwierigkei
ten entgegenstellen». Fraglich bleibe
auf alle Fälle, ob Heinrich I. - wenn
von der Existenz zweier Heinriche
ausgegangen wird - tatsächlich schon
Ende der sechziger Jahre gestorben
sei, wie dies Jecklin in seinem Aufsatz
«Heinrich von Frauenberg, ein bünd-
nerischer Minnesänger» annimmt.
Mir scheint es aber auch plausibler,
von der Existenz zweier Personen mit
Namen Heinrich auszugehen.
Am 30. November 1284 versöhnen
sich Bischof Friedrich von Chur und
die beiden minderjährigen Söhne des
Freiherrn Walther IV. von Vaz, Jo-