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Wenn wieder ein Fuder gedroschen
war, wurde die Maschine für eine kur
ze Weile abgeschaltet. Bei den Abfüll
stutzen wurden die vollen Kornsäcke
abgebunden und nachher gewogen.
Die Entschädigung des Dreschers
richtete sich nach dem Gewicht der
gewonnenen Körner. Schliesslich wur
den die Kornsäcke verladen; meist
stand dafür ein Handwagen bereit.
Im Estrich wurden alte Leintücher
ausgelegt und das Korn zur weiteren
Reifung und Härtung auf den Tü
chern ausgebreitet. Von Zeit zu Zeit
wurden die Körner mit einem Rechen
«gestört». Nach einigen Wochen hatte
die Wärme unter dem Ziegeldach das
Korn gehärtet. Es wurde wieder in
Säcke abgefüllt und stand dann be
reit, im Herbst oder Winter gemahlen
zu werden.
Die Familie vom Säger Jörgle war
während der Kornernte stark in die
Drescharbeit eingebunden. Wenn das
Korn reif war, summte an trockenen
Erntetagen die Dreschmaschine vom
Montagmorgen bis Samstagabend.
Das Einlegen der Ähren, das Kontrol
lieren der sich füllenden Kornsäcke,
das Wägen des gedroschenen Korns
und schliesslich das Notieren der aus
geführten Arbeiten verlangten viel-
stündigen Einsatz.
Einmal bat mich eine Frau, ihr beim
Dreschen am späten Samstagabend zu
helfen. Es war fast gegen Mitternacht,
bis Korn und Stroh im Haus abgeladen
waren. Ich war stolz auf den Zweifränk-
ler, den sie mir in die Hand drückte.
Schliesslich gelangte ich auch noch in
die Küche zu Rosa, um den Durst zu
löschen. Jörgle sass am Tisch, gebeugt
von der vielstündigen Arbeit und das
Gesicht gezeichnet von Staub und
Müdigkeit. So werden sie am späten
Abend immer ausgesehen haben,
Rosa und Jörgle, die grösseren Kinder
und ihre Tanten Berta und Theres.
Ende der Fünfzigerjahre kaufte Georg
Vogt, s Mesmerle, einen grossen Mäh
drescher mit eingebauter Strohpresse.
Die Dreschereien an der Rheinstrasse
und im Stadel verstummten. Der Mäh
drescher machte alles in einem Ar
beitsgang.
Wenn ich heute im Frühsommer die
reifenden Kornäcker sehe, taucht vor
mir das starke Bild des Mähers und
der Kornbinderin auf. Dieses Bild ist
aus unserem Dorf verschwunden wie
das Summen der Dreschmaschine und
die langen Reihen der kornbeladenen
Leiterwagen an der Rheinstrasse.
Es ist gut, wenn wir uns an diese Zeit
erinnern, da die Arbeit um unser täg
liches Brot unseren Alltag bestimmte.
Und es ist sinnvoll, wenn auch heute
die Eltern beim Anschneiden des Bro
tes ein Kreuz auf die braune Rinde
zeichnen, Zeichen des Dankes und
der Bitte für unser tägliches Brot.
Karl (links) und David (rechts),
Söhne von Georg Vogt, mit ihrem
Schwager Alois Wille auf dem
Ende der 1950er Jahre erworbenen
Mähdrescher