Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2003) (2003)

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Unser tägliches Brot 
Felix Vogt 
Heute fahren breite Mähdrescher in 
monotonem Lärm über riesige Korn 
felder Hie Ernte wird in hohe Silos 
ahgepnmpt und in modernen Mühlen 
weiter verarbeitet Ahgpparkt in klei 
ne Pakete, gelangt das Mehl in uuseie 
Haushalte. Das war nicht immer so. 
Die Mühe um das tägliche Brot war in 
unserer Kindheit in den Jahresablauf 
eingebunden wie das Pflücken der 
ersten Kirschen, das Graben der Kar 
toffeln oder das Abreissen der reifen 
Maiskolben von den hohen Stroh 
bengeln an kühlen Herbsttagen. 
Vor fünfzig Jahren war unser Dorf 
noch bäuerlich geprägt. Jede Familie 
bestellte ihren Kartoffelacker, und die 
meisten Arbeiterbauernfamilien hat 
ten ein Kornfeld. Der Arbeit auf dem 
Kornfeld und in der Drescherei vor 
fünf Jahrzehnten gehen die folgenden 
Zeilen nach. Es sind starke Bilder: die 
Pferde vor dem Pflug, der Sämann 
oder der Mäher - Bilder, wie sie uns 
ausdrucksstark der Maler Albin Egger- 
Lienz (1868-1926) hinterliess. 
Die Aussaat 
Das Bild des Bauern, der mit einem 
Sack voller Saatkörner über seinen 
Acker schreitet und im gleichmässi- 
gen Rhythmus die Körner aus seiner 
Hand auf die Erde fallen lässt, habe 
ich noch erleben dürfen. 
Vor der Aussaat wurde der Acker mit 
Pferden gepflügt und geeggt. Der Sa 
men musste auf fruchtbares und fei 
nes Erdreich fallen. Der eiserne Aebi- 
Pflug war ein robustes Arbeitsgerät. 
Zwei wendbare Pflugscharen ermög 
lichten das Umpflügen eines Ackers 
ohne Leerfahrt. Mechanische Ein 
richtungen dienten zum Einstellen 
von Pflugtiefe und Furchenbreite. 
Zwei Pferde wurden vor den Pflug ge 
spannt, eines stampfte in der neu er 
stellten Furche, das andere auf dem 
noch ungepflügten Ackerboden. 
Nach dem Umpflügen wurde die Erde 
mit einer Egge verfeinert und zerteilt. 
Bei lehmiger Erde zog das Pferd die 
Egge mehrere Male über die feuchten 
Schollen. Dann wurde das Pferd vor 
die Sämaschine gespannt. Aus dem 
Saatgutbehälter rieselten die Saatkör 
ner in feine Rohre, durch welche sie in 
regelmässigen Abständen in die Erde 
gelangten. War keine Sämaschine ver 
fügbar - jede Drescherei besass eine 
und stellte sie den Fuhrleuten und 
Bauern zur Aussaat bereit -, wurde 
das Saatgut mit der flachen Hand auf 
die Erde verteilt und nachher mit der 
Egge mit feiner Erde zugedeckt, damit 
die Vögel den Samen nicht schon vor 
dem Auskeimen fressen konnten. 
Die Ernte 
Mit Zuversicht und Sorge betrachtete 
die Familie das Reifen des Korns. 
Sturm, Regen oder Hagel konnten die 
Qualität des Korns beeinträchtigen. 
Bei lang anhaltendem Schlechtwetter 
wurden die Ähren schwarz und die 
Körner trieben Keime aus. 
Wenn sich die fruchtschweren Ähren 
beugten und die Körner härter wur 
den, war das Korn reif. An die Sense 
wurde ein Drahtgeflecht geschraubt. 
Der Dangel erhielt den letzten Schliff. 
In gleichmässigen Bewegungen mähte 
der Bauer das Korn. Das Drahtgeflecht 
auf dem Worb legte die Kornhalme ge-
	        

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