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Unser tägliches Brot
Felix Vogt
Heute fahren breite Mähdrescher in
monotonem Lärm über riesige Korn
felder Hie Ernte wird in hohe Silos
ahgepnmpt und in modernen Mühlen
weiter verarbeitet Ahgpparkt in klei
ne Pakete, gelangt das Mehl in uuseie
Haushalte. Das war nicht immer so.
Die Mühe um das tägliche Brot war in
unserer Kindheit in den Jahresablauf
eingebunden wie das Pflücken der
ersten Kirschen, das Graben der Kar
toffeln oder das Abreissen der reifen
Maiskolben von den hohen Stroh
bengeln an kühlen Herbsttagen.
Vor fünfzig Jahren war unser Dorf
noch bäuerlich geprägt. Jede Familie
bestellte ihren Kartoffelacker, und die
meisten Arbeiterbauernfamilien hat
ten ein Kornfeld. Der Arbeit auf dem
Kornfeld und in der Drescherei vor
fünf Jahrzehnten gehen die folgenden
Zeilen nach. Es sind starke Bilder: die
Pferde vor dem Pflug, der Sämann
oder der Mäher - Bilder, wie sie uns
ausdrucksstark der Maler Albin Egger-
Lienz (1868-1926) hinterliess.
Die Aussaat
Das Bild des Bauern, der mit einem
Sack voller Saatkörner über seinen
Acker schreitet und im gleichmässi-
gen Rhythmus die Körner aus seiner
Hand auf die Erde fallen lässt, habe
ich noch erleben dürfen.
Vor der Aussaat wurde der Acker mit
Pferden gepflügt und geeggt. Der Sa
men musste auf fruchtbares und fei
nes Erdreich fallen. Der eiserne Aebi-
Pflug war ein robustes Arbeitsgerät.
Zwei wendbare Pflugscharen ermög
lichten das Umpflügen eines Ackers
ohne Leerfahrt. Mechanische Ein
richtungen dienten zum Einstellen
von Pflugtiefe und Furchenbreite.
Zwei Pferde wurden vor den Pflug ge
spannt, eines stampfte in der neu er
stellten Furche, das andere auf dem
noch ungepflügten Ackerboden.
Nach dem Umpflügen wurde die Erde
mit einer Egge verfeinert und zerteilt.
Bei lehmiger Erde zog das Pferd die
Egge mehrere Male über die feuchten
Schollen. Dann wurde das Pferd vor
die Sämaschine gespannt. Aus dem
Saatgutbehälter rieselten die Saatkör
ner in feine Rohre, durch welche sie in
regelmässigen Abständen in die Erde
gelangten. War keine Sämaschine ver
fügbar - jede Drescherei besass eine
und stellte sie den Fuhrleuten und
Bauern zur Aussaat bereit -, wurde
das Saatgut mit der flachen Hand auf
die Erde verteilt und nachher mit der
Egge mit feiner Erde zugedeckt, damit
die Vögel den Samen nicht schon vor
dem Auskeimen fressen konnten.
Die Ernte
Mit Zuversicht und Sorge betrachtete
die Familie das Reifen des Korns.
Sturm, Regen oder Hagel konnten die
Qualität des Korns beeinträchtigen.
Bei lang anhaltendem Schlechtwetter
wurden die Ähren schwarz und die
Körner trieben Keime aus.
Wenn sich die fruchtschweren Ähren
beugten und die Körner härter wur
den, war das Korn reif. An die Sense
wurde ein Drahtgeflecht geschraubt.
Der Dangel erhielt den letzten Schliff.
In gleichmässigen Bewegungen mähte
der Bauer das Korn. Das Drahtgeflecht
auf dem Worb legte die Kornhalme ge-